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Chronik des Voglers

Friedrich Schreiber senior
Breitenkamp 2001

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Diese Seite enthält eine Digitalisierung des Buches „Chronik des Voglers – Geschichte ohne Geschichten“ von Friedrich Schreiber senior, erschienen im Selbstverlag in Breitenkamp 2001.

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Digitalisierung durch Christian Kaese, Eschershausen 2020





Foto des Ebersnackenturms

Vorbemerkungen

Das Weserbergland, zu dem der Vogler gehört, ist kein großes zusammenhängendes Waldgebiet wie etwa der Harz oder der Schwarzwald, sondern eine Ansammlung von unterschiedlich großen Höhenzügen beiderseits der oberen Weser. Es besteht aus größeren und kleineren Bergrücken, Hochflächen und langgestreckten oder gewundenen Höhen, die bis 520 m ansteigen. Das Wesertal beginnt bei Hannoversch Münden in 125 m Höhe und fällt bis zur Porta Westfalica bis auf 45 m. Inmitten dieser Ansammlung von Höhen, zwischen denen sich Niederungen und Täler ausbreiten, erhebt sich der Vogler am rechten Weserufer bei der Stadt Bodenwerder.

Auch er ist ein Gebilde von eigentümlicher Gestalt. Bei einer Ausdehnung von nur 5 mal 10 Kilometern möchte man ihn nicht mit dem anspruchsvollen Namen Gebirge belegen, und trotzdem weist er die typischen Merkmale eines Gebirges, wenn auch im Kleinformat, auf. Seine Hänge steigen zumeist steil an. Sie geben aber dem Kletterer keine Möglichkeiten, sich zu betätigen. Die Täler sind gewöhnlich tief eingekerbt, und die Erosion durch das Wasser bewirkt weitere Vertiefungen. Der Untergrund wird aus Buntsandstein der Triasformation gebildet und ist mit Verwitterungsschutt und Lösslehm bedeckt. Auf ihm gedeihen neben Buchen und Eichen in der Hauptsache erst von Menschen angepflanzte Fichten.

Der Vogler ist kein großräumiges Wandergebiet. Wer sich vorgenommen hat, hier von einem Quartier aus lange Wanderungen zu unternehmen, wird feststellen, dass er in wenigen Tagen die wesentlichen Teile erforscht und kennengelernt hat. Das heißt nicht, dass es nun Zeit sei, die Zelte hier wieder abzubrechen. Es gibt noch viele Einzelheiten und Eigentümlichkeiten zu erkunden und ihnen nachzugehen. Immer neue Ausblicke werden den Wanderer fesseln. Allein drei Aussichtstürme lohnt es zu ersteigen. Neben dem Bodoturm und der Königszinne oberhalb von Bodenwerder bietet der Ebersnackenturm in 460 m Höhe ein Panorama, das als das schönste im Weserbergland gelten muss. Das Gewoge der nahen, von Wäldern bedeckten Höhen ebenso wie die Ausblicke in weite Fernen bis hin zum Brocken im Harz und zum Hermannsdenkmal auf dem Teutoburger Wald belohnen den Wanderer, der den Anstieg auf den Gipfel des Berges wie auf den Turm nicht gescheut hat.

Dieses Heft soll dem interessierten Leser einiges aus den Kapiteln Geologie, Geografie und Geschichte des Voglers berichten, der auf den ersten Blick nur wenig von Bedeutung zu bieten hat, schließlich aber doch manches Wissenswerte erschließt.

Übersichtskarte Weserbergland

Karte der Waldgebirge im Weserbergland
Der Vogler mitten im Weserbergland

I. Geologie des Voglers

Ablagerungen im Zechsteinmeer – Kalk

Wenn wir uns heute in den Bergen des Voglers aufhalten, dann haben wir überall Sandstein unter unseren Füßen, den wir als den Untergrund unseres kleinen Gebirges ansehen. Wenn er auch aus losem Sand entstanden sein muss und seit Urzeiten hier zu bestehen scheint, so kann die Erdgeschichte doch nicht mit ihm begonnen haben, es muss vielmehr unter ihm Weiteres zu finden sein. Wollte man darüber etwas Genaueres erfahren, müsste man ihn wegbaggern oder anbohren. Das hat man vielerorts getan und ist dabei im Wesentlichen auf drei weitere Schichten gestoßen, auf Salz, Gips und Kalk, die hier und da auch an der Oberfläche zu Tage treten, womit ihr Vorhandensein bestätigt wird. Dass unter dem Sandstein Salz vorhanden ist, bestätigen die zahlreichen Quellen in unserm Heimatgebiet, aus denen salzhaltiges Wasser emporsprudelt.

Auch hier bei Breitenkamp stieß man bei Bohrungen um 1890 in 519 Meter Tiefe auf Salz, führte diese Untersuchungen aber nicht fort, offenbar weil man hier in Südniedersachsen an vielen Stellen in ausreichender Menge Salz vorfand. Diese Ablagerungen von Kalk, Gips und Salz können nur einem Meer entstammen, das bei einem heißen Klima verdunstete und dabei diese Schichten hinterließ.

Dieses Meer war das so genannte Zechsteinmeer, das seinen Namen von den Bergleuten des Ostharzes erhielt, weil sie ihre Zechengebäude aus den Steinen erbauten, die diesem Meer entstammten. Es reichte von Norddeutschland bis in den Bereich des heutigen Schwarzwaldes und hatte im Norden eine Verbindung zu dem damaligen Ozean. Entscheidend war, dass das Klima wüstenähnlich war und dass die Verbindung zu dem Ozean durch Hebungen des Meeresbodens wiederholt und schließlich gänzlich unterbrochen wurde. Damit fehlte der Zufluss aus dem Norden. Das Meer begann auszutrocknen. Die im Meer gelösten Stoffe wurden immer konzentrierter und wurden allmählich abgelagert. Dieser Vorgang wirkte sich zuerst bei dem Kalkgehalt aus, dessen Löslichkeit im Wasser besonders gering ist. Jede Hausfrau weiß, dass bei kalkhaltigem Wasser sich im Kochtopf eine dünne Schicht Kalk absetzt, die nur mit einiger Mühe beseitigt werden kann. Welche Mengen von Kalk müssen wohl in den Meeren der Ozeane gelöst sein, dass im Laufe langer Zeiträume – es handelt sich wohl um Millionen von Jahren – aus solch dünnen Schichten Berge von hundert und mehr Metern Höhe entstanden. In den konzentrierten Schichten mussten die Tiere und auch Pflanzen verenden und als Versteinerungen uns beweisen, dass in diesen Meeren Lebewesen wie Muscheln und Ammonshörner existiert haben. – Kalk ist also die unterste Schicht, die uns aus der Zechsteinformation überkommen ist.

Geologische Karte

Ein Rückstand im Zechsteinmeer – Gips

Es verwundert uns, dass Gips als Verbindung von Kalzium mit Schwefelsäure (Ca-SO4) in solchen Mengen im Zechsteinmeer gelöst war, dass er bei der Verdunstung des Wassers (Evaporation) in so großen Mengen zurückblieb, dass er ganze Berge bildete und uns heute mit seinen weißen Berghängen in den Tälern überrascht.

Die Geologen nennen seine unteren Schichten „Anhydrit“, das bedeutet wasserfrei. Die oberen Schichten, etwa 30 Meter, haben wieder Wasser aufgenommen und können durch Erhitzen und Mahlen zu Baugips verarbeitet werden. Je nach der Temperatur erhält man unterschiedliche Eigenschaften des Materials, was Festigkeit und Abbindezeit betrifft. Schnellgips, Stuckgips, Fasergips, Putzgips und andere, wie sie landläufig genannt werden. Dem gemahlenen Gips muss dann nur wieder Wasser hinzugefügt werden, damit er seine ursprüngliche Festigkeit wieder erhält. Gips wird auch dem Zement beigefügt.

In der Natur kommen dem Gips aber noch weitere Merkmale zu. Seine Löslichkeit bewirkt interessante Vorgänge. Er nimmt Regenwasser auf, in feinen Spalten dringt es in ihn ein und löst dabei geringe Mengen, so dass die Spalten sich vergrößern. In längeren Zeiträumen werden diese so groß, dass das Wasser darin fließen kann und Bäche bildet, auch Hohlräume und schließlich Höhlen. Bei von oben nachsickerndem Wasser lösen sich die Deckensteine und fallen zu Boden, während die Deckschicht immer dünner wird und schließlich einstürzt. So entsteht ein Erdfall, eine „Doline“ in der Sprache der Geologen. Erdfälle findet man besonders am Südhang des Voglers, oft nur als Senken ausgebildet. Am Südhang des Harzes entstanden größere und kleinere Höhlen. Eine der größten Höhlen Deutschlands ist die Heimkehle bei Berga-Kalbra zwischen Nordhausen und Sangerhausen.

Einen weiteren ungewöhnlichen Vorgang haben wir bei Entstehung des Gipses zu beobachten, die Bildung von Karsten. Wenn Gips abgebaut werden soll, stößt man nicht auf ebene Flächen, die von Erde oder Sand bedeckt sind, sondern auf oft mehr als ein Meter tiefe und fast ebenso breite Spalten und Furchen. Die Oberfläche ist völlig zerklüftet und mit Erde gefüllt. Diese muss natürlich vor dem Abbau beseitigt werden, denn sie soll nicht in das Gipsgestein geraten. Da man in den Spalten nicht bequem stehen kann, ist die Arbeit sehr beschwerlich und zeitraubend. Die Karste entstanden vermutlich sehr früh bei der Entstehung des Gipses durch Einwirkung von Wasser und Frost. Sie wurden besonders in Jugoslawien beobachtet.

So hat Deutschland den Vorzug, reich an Gips zu sein. Trotzdem sind die Naturschützer bemüht, den rücksichtslosen Abbau zu verhindern, um diesen Schatz der Natur so weit wie möglich zu erhalten.

„Mönchsköpfe“ im Gips unter der Homburg
„Mönchsköpfe“ im Gips unter der Homburg
Erdfall im Forstbachtal bei Golmbach
Erdfall „Doline“ – Grundlose im Forstbachtal bei Golmbach
Gipskarst
Gipskarst

Salz als Relikt des Zechsteinmeeres

Beim Verdunsten des Zechsteinmeeres wurde zuerst, falls vorhanden, Kalk ausgeschieden, sodann schwefelsaures Kalzium, das heißt Gips, und zuletzt unterschiedliche Salze, besonders Kalisalz und Kochsalz. Wie weit das Zechsteinmeer verbreitet war, das kennzeichnen heute die Dörfer und Städte, die das Wort „Salz“ im Namen tragen wie Salzgitter, Salzhemmendorf, Salzderhelden und andere, sodann die Namen mit der Silbe „Hall“ wie Halle, Hallstatt und andere. Auch viele Bäder gehören dazu. Saale-Flüsse führen Salzwasser (salsus lateinisch = salzhaltig), Hellwege sind vermutlich Straßen, auf denen Salz transportiert wurde. Die Salzquellen bildeten die Keimzelle der Siedlungen, denn Salz war eine Kostbarkeit, die sich mit Gewinn verkaufen ließ. Beim Sieden des Quellwassers blieb Salz als Rückstand.

Wenn das Salz im Erdinneren durch Wasser herausgelöst wird, dann entstehen in der Regel keine Hohlräume, denn Salz ist plastisch, das heißt dass es dem Druck der nachdrückenden oberen Schichten nachgibt, sich in die Hohlräume pressen lässt und sie ausfüllt. Größere Senken wie etwa der Leinegraben sind vermutlich auf diese Weise entstanden, möglicherweise auch der Voglerkessel. Wie durch Bohrungen in der Zeit um 1890 sich ergab, befindet sich unter dem Vogler ein Salzstock. Der ehemalige Schuster in Heinrichshagen, Karl Engelke, der sich für Heimatkunde und Heimatgeschichte sehr interessierte, berichtete dem Chronisten, zwei Bohrgesellschaften hätten hier Bohrungen niedergebracht, die Assegesellschaft in der Feldmark von Breitenkamp unweit der Straßengabel links der Straße und eine rheinisch-englische Gesellschaft in der Heinrichshäger Flur bei dem heutigen Haus Nr. 15. Letztere sei dank modernerer Methoden um drei Tage früher fündig geworden, und zwar in einer Tiefe von 1 300 Fuß. Sie seien beide auf Salz gestoßen, und die Schürfrechte seien im damaligen Amtsgericht Eschershausen registriert worden, wurden aber nicht ausgenutzt.

Aber noch weitere Merkmale lassen auf den Salzuntergrund schließen. Das Wort „Sülpke“ für ein flaches Voglertal bei Kirchbrak bedeutet „Salzbach“. – Der von Heinrichshagen kommende Bach wird in einer Schrift „Saale“ genannt. Bei der ehemaligen Jugendherberge in Bodenwerder wurde eine Salzquelle angebohrt, die zur Freude und Überraschung der Stadtväter auch Jod enthielt, so dass sich Bodenwerder den Ruf eines Jod-Sole-Heilbades erwarb. Als man jedoch wenige Jahre später die Bohrung erweitern wollte, suchte sich das Wasser in der Tiefe einen anderen Weg, das heißt die Quelle versiegte. Damit verlor Bodenwerder seine Qualität als Heilbad. – Ein Sommergast, Angestellter einer Bohrgesellschaft im Emsland, berichtete, er habe im Wabachtal typische Pflanzen gefunden, die in salzhaltigem Wasser gedeihen.

Die Hinterlassenschaften des Zechsteinmeeres sind also auch hier im Vogler unter dem Sandstein vorhanden: nämlich Kalk, ferner Gips, der ein wichtiger Wirtschaftsfaktor ist, und Salz, das als Düngesalz und Badesalz eine Rolle spielen könnte, wenn es nicht im südlichen Niedersachsen bereits reichlich vorhanden und vielerorts gewonnen und genutzt würde.

Karte von Orten mit Salzquellen
Orte mit Salzquellen
Quelle in Bessingen am Ith
Quelle in Bessingen am Ith
Gradierwerk Karlshafen
Gradierwerk Karlshafen

Woher kommt unser Sandstein?

Unsere Weserheimat besitzt in dem Sandstein einen Werkstoff, auf den wir besonders stolz sind. Als unbearbeiteter Mauerstein in uralten Kirchen und Burgen, als Bosse in den Sockeln der Bürger- und Bauernhäuser und als kunstvoll gestaltetes Ornament an den Schlössern der Weserrenaissance verleiht er mit seinem warmen roten oder grauen Ton unseren Dörfern und Städten einen besonderen Charakter. In ein weites Gebiet um unsere engere Heimat wird er ausgeführt und wirbt dort unauffällig für das Weserbergland. Haben wir nicht Grund, ihn auch einmal von einer anderen Seite her als nur von seiner Verwendung als Baustoff zu betrachten?

Im Jahre 1955 wurde im Solling nach Erdöl gebohrt. Dabei stellte man fest, dass die Sandsteinschicht eine Mächtigkeit von 1 450 m hat. Was will diese Tatsache – fast eineinhalb Kilometer Sandstein – eigentlich besagen? Sandstein ist ja kein unberührtes Erstarrungsgestein der Erdkruste, er ist doch vielmehr aus Sand entstanden. Sand wurde aufgehäuft bis zu einer Höhe von 1 450 Metern. Wenn wir einen Berg von 300 Metern Höhe vor uns haben, dann sind wir von seiner Massigkeit schon sehr beeindruckt. Hier aber haben wir die fünffache Höhe, und die nur aufgeschüttet aus Sand. Woher kam er? Wer transportierte ihn und schichtete ihn auf? Wann geschah das eigentlich und wie lange dauerte das? Das sind Fragen über Fragen, die uns der Sandstein stellt, Probleme, über die sich der Geologe Klarheit verschaffen muss. Versuchen wir einmal, seinen Überlegungen zu folgen, zu denen ihn die Steine anregen, die bei all ihrer Schweigsamkeit doch recht eindeutige Aussagen machen.

Eine solche Menge Sand kann nur aus dem Verwitterungsschutt größerer Gebirge entstanden sein, und diese müssen an das Gebiet angegrenzt haben, in dem heute der Sandstein zu finden ist. Die Steinvorkommen liegen im Schwarzwald, im Odenwald und Spessart, ebenso wie in Thüringen und dem Weserbergland. Daraus schließt der Geologe, dass die Randgebirge ein weites Becken mit den größten Teilen Süd-, Mittel-, und auch Norddeutschlands eingeschlossen haben, das nur nach Nordosten zu offen war und dort an ein Meer angrenzte.

Wenn aus den Gebirgen so viel Gestein abtransportiert werden konnte, dann war es vermutlich von Pflanzen kaum bedeckt. Da sich ferner im Sandstein nur sehr selten Abdrücke oder Spuren von Pflanzen finden, kann man von dem Klima der Sandsteinzeit annehmen, dass es wüstenähnlich war. Dieser Schluss ist zwingend, wenn es uns auch nicht recht in den Kopf will, dass unsere Heimat einmal Wüste gewesen sein soll. Wäre genügend Wasser vorhanden gewesen, dann hätte sich auch eine Vegetation gebildet. Auch die rote Farbe des Gesteins ist typisch für vegetationslose Wüsten. Pflanzliche Bestandteile geben dem Sand eine andere Farbe.

Der Sand ist zweifellos über weite Entfernungen transportiert worden. Diese Arbeit können nur Wind und Wasser geleistet haben. Beide transportieren feinen Sand, das Wasser auch Kies und grobe Gerölle. Beide haben an der Ausschüttung des Sandsteins mitgewirkt, denn in den Randgebieten des Sandsteinbeckens findet man Schuttkegel, die sich weit in das Innere des Beckens vorschieben und viel grobes Gestein enthalten. Offenbar ist also zumindest jahreszeitlich in den Randgebirgen starker Regen gefallen, der von den kahlen Hängen das lockere Gestein herabgespült und in tiefere Lagen verfrachtete. Die den Niederschlägen folgende Sonnenglut hat aber keine Pflanzendecke aufkommen lassen.

Karte von ehemalige Steinbrüchen im Vogler
Ehemalige Steinbrüche im Vogler
Steinbruch bei Westerbrak
Steinbruch bei Westerbrak

Im Inneren des Beckens dagegen ist der Sandstein im Allgemeinen sehr feinkörnig. Das trifft besonders für den Sandstein unserer Weserheimat zu. Das bedeutet, dass hauptsächlich der Wind den Sand herangeführt hat. Es müssen also wohl immer wieder gewaltige Staub- und Sandstürme, wie man sie heute in der Sahara erleben kann, über unser Gebiet hinweggesaust sein.

Der Sand lagerte sich ab und wurde allmählich bis zu der gewaltigen Höhe von 1 450 m angehäuft. Der grobkörnigste Sand bildete die „Rogensteine“, bestehend aus Sandkörnern von einem Millimeter Durchmesser etwa, die an Fischrogen erinnern, mit Fischeiern aber nichts zu tun haben. Wüstenglut und Sandstürme haben also bei der Entstehung unseres Sandsteines Pate gestanden.

Es leuchtet ein, dass in der langen Zeit der Entstehung des Buntsandsteines nicht immer gleiche Bedingungen geherrscht haben. Klimatische Schwankungen, Unterschiede in der Feuchtigkeit, in der Windrichtung, im abgetragenen und abgelagerten Gestein, Schwankungen und Bewegungen in der Erdkruste und Meereseinbrüche haben einen unterschiedlichen Stein entstehen lassen, der von der Tiefe herauf immer wieder anders gestaltet ist. Der Geologe unterscheidet den unteren, den mittleren und den oberen Buntsandstein mit dem Röt als abschließender Schicht. Der Steinhauer kennt auch die besonderen Merkmale des Gesteins, den „wilden Fels“, mit dem man nicht viel anzufangen weiß, den „guten Fels“, der sich leicht bearbeiten lässt, und das Plattenmaterial, dass man sogar zu dünnen Dachsteinen aufspalten kann. Diese Spaltbarkeit verdankt der Stein dünnen Glimmerschichten, die von Winden aus einer besonderen Richtung immer wieder herangeweht wurden; ihnen fehlt die bindende Kraft, und sie ermöglichen dadurch das leichte Spalten.

Wer mit offenem Blick über unseren Bundsandstein wandert, der findet noch immer im Gestein viele bizarre Formen, für die auch der Fachgeologe nicht immer eine Deutung zur Hand hat. Häufig und auffallend sind Steine mit „Rippelmarken“, die „Wellensteine“. Solche Wellen findet man heute im Wüstensand, aber auch in seichten Gewässern, etwa im Wattenmeer, wo die rotierende Bewegung des Wassers im Sand ihre Spuren hinterlässt. Die Geologen neigen dazu, die Bildung der Wellensteine dem Wasser zuzuschreiben; denn nur die im Schlamm eingetrockneten und erhärteten Wellen können die Zeiten überdauert haben. Woher soll aber in der Wüste das Wasser gekommen sein, das ein flaches Meer oder wenigstens Seen bildete? Man könnte die Wirksamkeit des Wassers bezweifeln, wenn es nicht noch andere Spuren hinterlassen hätte.

Da sind beispielsweise „Trockenrisse“ zu finden, die nur dort entstehen, wo feuchter Boden eintrocknet und dabei aufreißt. Da gibt es „Tonrollen“, die sich dort gebildet haben, wo Schlamm sich herabwälzte und Falten bildete. Und schließlich finden sich im Gestein sogar Muscheln, und die können ja nur im Wasser gelebt haben. Die Geologen vermuten daher, dass sich das Sandsteinbecken wiederholt gesenkt hat, so dass das Meer von Nordosten her eindrang und die Sandflächen überflutete. So kam es zu den Spuren, die nur das Wasser hinterlassen konnte.

Wenn abgeriegelte Meeresbecken und Seen allmählich austrockneten, dann ließen sie als Rückstände Salz und Gips zurück. Möglicherweise ist das der Ursprung von Gipslagern, die sich am Südhang des Voglers finden. Der Gips ist dort nicht weiß, sondern rot wie der Sandstein. Er ist mächtig genug, um auch Erdfälle entstehen zu lassen, die immer sofort auf Gips schließen lassen. Überraschenderweise findet sich auch auf dem Streitberg im Gebiet des Wabachtales ein Erdfall. Ob die Kuhlen zwischen Breitenkamp und Heinrichshagen gleichen Ursprungs sind, konnte bisher nicht nachgewiesen werden. Dagegen dürfte wohl eine salzige Quelle bei Kirchbrak am Nordhang des Voglers ihr Salz von solchen Salzlagern entnehmen, die von Meereseinbrüchen herrühren. – Zweifellos sind die Seen im Sandsteinbecken nicht nur ausgetrocknet, sondern infolge der Staubstürme wieder von Sand aufgefüllt worden.

Die dürftigen pflanzlichen Reste beschränken sich auf farnähnliche Abdrücke, die von der sogenannten Sagopalme herrühren. Bei einer so spärlichen Vegetation fehlten natürlich auch die Lebensbedingungen für Tiere. Es gibt Gebilde im Stein, die man für Würmer oder Wurmröhren halten möchte. Die Fußabdrücke einer fünfzehigen Echse sind dagegen einwandfrei nachgewiesen worden. Der Fachmann nennt dieses Tier „Chirotherie“ (cheir = die Hand).

Die Erdgeschichte wirkt immer wieder bestürzend durch ihre Zeitskala der Jahrmillionen. Die Erdperiode, in der der Sandstein entstand, nennt der Geologe die Trias (von tri = drei), weil er darin drei Formationen, nämlich Buntsandstein, Muschelkalk und Keuper, zusammenfasst. Vor etwa 150 Millionen Jahren dürften sich die Vorgänge abgespielt haben, die zur Entstehung des Sandsteines führten. 30 Millionen Jahre setzten die Geologen für das Trias an. Es ist die Zeit, in der Laubbäume noch ganz fehlen, in der aber die ersten Säugetiere, entstanden aus amphibischen Vorfahren, nachgewiesen werden können. An den Menschen war in dieser Zeit noch nicht zu denken.

Es dürfte also mehrere Millionen Jahre gedauert haben, bis der gewaltige Sandsteinbuckel des Sollings, der zudem zu einem gewissen Teil schon wieder abgetragen sein muss, angehäuft worden war. In diesen Zeiträumen der Erdgeschichte spielen wir kurzlebigen Menschen allerdings nur eine unbedeutende Rolle.

Nach der Bildung des Buntsandsteines stand die erdgeschichtliche Entwicklung nicht still. Das Land senkte sich weiter und wurde vom Meer überflutet. Das Muschelkalkmeer begrub unsere Heimat unter seinen Wogen, ein Meer, das als untrügliche Spur seiner Existenz ganze Gebirge von Kalk und Muscheln hinterließ. Die zahlreichen Muschelkalkvorkommen unseres Weserberglandes legen davon ein beredtes Zeugnis ab.

Rippelmarken
Rippelmarken in 350 m Höhe

Der Sandstein als Rohstoff des Voglers

Angesichts des Reichtums des Voglers an Buntsandstein bei gleichzeitigem Mangel an anderen Rohstoffen – außer Holz – ist es verständlich, dass dieses Material für Arbeits- und Erwerbsmöglichkeiten ausgenutzt wurde. So galt Kirchbrak für längere Zeit das Dorf der Steinhauer. Wer glaubte, in diesem Geschäft genügend Erfahrung zu besitzen, pachtete von Landbesitzern, den Herren von Grone, von Hake oder von Bauern, ein Stück geeignetes Gelände, zumeist an einem Berghang im nahen Wald, um dort mit dem Schürfen zu beginnen. Das waren oftmals Zweimannbetriebe. An den Hängen erreichte man den Stein unter geringstem Arbeitsaufwand. Man musste nicht in die Tiefe gehen wie in einem Kohlebergwerk, sondern räumte nur die oberste Schicht aus Erde und losem Geröll beiseite, den „Kummer“, und hatte dann schon den begehrten Stein vor sich.

Nun begann die eigentliche schwere Arbeit, den gewünschten Felsbrocken aus dem Berg zu brechen. Dabei konnte der Steinhauer die natürlichen Spalten und Risse im Gestein beachten und ausnutzen, so dass ihm die Arbeit erleichtert wurde. Wichtig war die möglichst horizontale Lage der Schichten. Das Abspalten der Felsbrocken ging so vor sich, dass man mit schweren Bohrstangen und Hämmern eine Reihe von Löchern bohrte. Diese wurden mit trockenem Holz ausgefüllt. Nachgefülltes Wasser ließ das Holz quellen, und die Gewalt des Quellens war stärker als die Festigkeit des Gesteins, es gab nach. Diesen Vorgang konnte man mit Stahlkeilen oder auch Sprengstoff unterstützen und beschleunigen. Das Bohren der Löcher erfolgt heute mit Pressluftbohrern, einem keineswegs leichten und angenehmen Gerät. Ihr Vibrieren strapazierte das menschliche Knochengerüst.

Bei den Steinbrucharbeitern unterscheidet man den Steinhauer und den Steinmetz. Beide Berufe erfordern eine Lehrzeit unter einem Steinmetzmeister. Der Steinhauer übernimmt die groben Arbeiten in einem Steinbruch und bearbeitet die Steine bis zu einer groben Form. Der Steinmetz gibt ihnen die endgültige Form. Wir dürfen keineswegs annehmen, dass in älterer, zum Beispiel romanischer Zeit man sich mit plumper Bearbeitung des Sandsteins zufriedengegeben hätte. Wie uns viele Sakral- und auch Profanbauten vor Augen führen, waren damals schon Künstler am Werk, die uns größte Hochachtung abverlangen. Auch schlichte Mauerwände wurden exakt und maßgerecht behauen, wie uns die Klosterkirchen von Amelungsborn und Fredelsloh beweisen. Bei weniger bedeutenden Bauwerken hat man nur die Ecksteine in genauer maßgerechter Form ausgeführt, während das übrige Mauerwerk so zusammengefügt wurde, wie die Gestalt der Steine es ermöglichte. Bei den einfachen und schlichten Dorfkirchen, für die die Mittel nicht ausreichten, wird der Unterschied deutlich. Während in romanischer Zeit die anfangs glaslosen Fenster nur kleine Ausmaße hatten, stattete man in gotischer Zeit die Kirchen mit riesigen buntverglasten Fenstern aus und entwickelte für diese kunstvolle Maßwerke. Das Material für den Bau der Klosterkirche in Amelungsborn lieferten die Steinbrüche in unmittelbarer Nähe unterhalb im Hooptal das Material.

Steinmetz
Steinmetz
Schleifmühle
Schleifmühle
Fensterbänke aus Sandstein
Fensterbänke aus Sandstein

Akte aus dem Bergamt Clausthal-Zellerfeld

Zeitungsausschnitt
Karte, wohl vom Bergamt über die Bohrungen

Mitteilungen des Bergamtes Clausthal-Zellerfeld

11.1. - 15/94
C VI a 5.2. - X

Bohrung nach Salz in den Gemarkungen von Breitenkamp und Heinrichshagen um 1890

Ihr Schreiben vom 25.7.1994

18.8.1994

Sehr geehrter Herr Schreiber,

aus den Akten des Oberbergamtes geht hervor, dass im Jahre 1888 in der Nähe des Dorfes Linse und 1890 in der Nähe von Breitenkamp Salzbohrungen fündig geworden sind, die jeweils als Fundbohrung für das Bergwerkseigentum Salz-Linse vom 11.8.1888 und Salz-Breitenkamp vom 5.3.1890 angegeben worden sind.

Die damaligen Eigentümer gehen aus den als Ablichtung beigefügten Bekanntmachungen über die Mutung und Verleihung des jeweiligen Bergwerkseigentums hervor, Lagepläne der Fundbohrungen sind ebenfalls beigefügt. Die Teufe der Bohrungen Linse war 976,5 m und Breitenkamp 519 m.

Die jeweiligen Bergwerkseigentümer sind im Grundbuch beim Amtsgericht in Eschershausen eingetragen.

Eine Wasserbohrung wurde in der Zeit vom 4. Juli bis 2. August 1960 von der Firma H. Lange in Halle in Westfalen für die Gemeindeverwaltung abgeteuft, die eine Endteufe von 70 m erreicht hat.

Mit freundlichem Glückauf

Im Auftrage
H. Gravenhorst

Die Eiszeiten an der Oberweser und im Vogler

Leider gibt es noch keine eindeutigen Hypothesen über die Entstehungsursachen der Eiszeiten. Wir wissen auch wenig darüber, welche Auswirkungen die Eiszeiten im Raum des Voglers gehabt haben könnten. Erwiesen ist durch die Untersuchungen von Kaltwang (siehe den Aufsatz „Im Weserbergland wurden die Eisberge zu Wasser“ – August 1992), dass die Gletscher der beiden ersten Eiszeiten, der Saale- und der Elstereiszeit, bis in unseren Raum gelangt sind. Untrügliche Beweise dafür sind die bei Hehlen und bei Dohnsen vorhandenen Findlinge. Kaltwang stellte fest, dass die Gletscher bis in eine Höhe von 140 bis 150 m über Normalnull gelangt sein müssen, denn bis dorthin findet man entsprechende Ablagerungen. Das würde bedeuten, dass sie nicht in den Voglerkessel hineinreichten, zumal der Ith wie eine Barriere den Weg zum Vogler versperrte. Auf jeden Fall aber war der Vogler der ersten beiden Eiszeiten mit Schnee und Eis bedeckt und für Menschen unzugänglich. Über die dazwischenliegenden Warmzeiten ist nichts bekannt.

Erwähnenswert ist noch ein Stein, der am inneren westlichen Hang des Voglers gefunden wurde. Er besteht nicht aus Sandstein, sondern aus Gneis oder Granit und hat annähernd die Gestalt einer Kugel von 8 cm Durchmesser. Auf jeden Fall stammt er nicht aus dem Vogler. Ob er doch von einem Gletscher hier abgelagert oder von Menschen hierher verschleppt wurde, ist nicht zu klären.

Die Gletscher der letzten Eiszeit, die vor etwa 10 000 Jahren allmählich zu Ende ging, erreichten unsere Region nicht, sie bewirkte nur eine tundraähnliche Landschaft, bewachsen mit Flechten, Moosen, buschigen Kiefern und Birken, belebt von Rentieren, Bären, Wölfen und auch Mammuten, deren Stoßzähne in Kiesgruben gefunden wurden. Die beginnende Warmzeit erlaubte das Vordringen der Menschen, die als Rentierjäger ihr Leben fristeten. Diese Zeit deckt sich mit den Steinzeiten menschlicher Kultur. Dass auch der Vogler als Jagdgebiet aufgesucht wurde, beweist der Fund eines halben Steinbeiles, das der damalige Schüler Walter Schmalhof, Heinrichshagen, auf einem Haufen von Lesesteinen entdeckte. Ein Schüler fand auch bei einer Quelle oberhalb von Breitenkamp einige Feuersteinsplitter.

Bild des Steinbeil-Finders
Skizze eines Steinbeils
Steinbeil
Foto eines Findlings Foto eines Findlings Foto eines Findlings
Findlinge

Entwässerung des Voglers

Der Sandstein des Voglers bringt es mit sich, dass alle Niederschläge nicht nur oberflächlich abfließen, sondern auch versickern und in die Poren des Gesteins eindringen. Aber nicht nur das, durch Verwerfungen, durch Hebungen, Senkungen, Quetschungen und Verschiebungen sind im Untergrund Klüfte und Spalten entstanden, die große Mengen des Wassers aufnehmen können. Diese Speicherwirkung ist besonders wichtig, denn in Trockenperioden können sie noch lange Zeit Wasser liefern. Bei Bohrungen nach Wasser muss man das Glück haben, solche Spalten zu treffen, je tiefer desto besser. Sie sind miteinander verbunden und durchziehen das Gestein, dem man auch aus größeren Tiefen Wasser entnehmen kann. Führt eine senkrechte Spalte im Hang zur Oberfläche nach außen, so entsteht dort eine Quelle. Tritt eine waagerechte Schichtquelle nach außen, so bildet sich ein Quellhorizont. Durch die Erosion des herausfließenden und auch des oberflächlich abfließenden Wassers bildeten sich anfangs flache Mulden, sodann immer tiefer eingesenkte Täler, die auch heute immer weiter eingeschnitten werden und oft tiefe Kerben bilden. Das bewegte Relief des Voglers ist die Folge dieser Erosionsarbeit des fließenden Wassers. Sie hört nicht auf, solange Niederschläge fallen.

Als Wasserspeicher, der die angrenzenden Dörfer mit gutem Brauch- und Trinkwasser versorgt, hat der Vogler eine besondere Bedeutung. Die Bewohner entnahmen einst ihr Wasser den Bächen, denn sie bauten ihre Gehöfte direkt an einen Bach oder auch, soweit vorhanden, an eine Quelle. Regelrechte Wasserleitungen, die mühsam aus ausgehöhlten Holzstämmen hergestellt wurden, waren selten. In Kirchbrak leitete man das Wasser von einem Bach aus in einem künstlich angelegten Graben bis in die Nähe des Gutshofes, die restliche Strecke in einer hölzernen Wasserleitung bis zu dem Gehöft. – Quellen, die ihr Wasser nur aus oberflächlichen Schichten erhielten, waren nicht frei von Krankheitserregern und versiegten zudem bei längerer Trockenheit. Sie wurden stillgelegt. Auch Brunnen wurden, wenn nötig, gegraben. Das Wasser der Voglerquellen ist völlig kalkfrei.

Wie sich aus einer Beschreibung des Amtes Wickensen ergibt (1580), ging es den hohen Herren damals nicht um die Versorgung mit gutem Wasser. Es stand offenbar immer in ausreichender Menge zur Verfügung und verursachte keine Probleme. Man interessierte sich ausschließlich für den Fischfang, in erster Linie um Forellen. Von den fraglichen Bächen werden immer wieder die Forellen erwähnt, die die Speisetafeln des Herzogs, des Amtmannes und auch der Herren von Grone bereichern konnten.

Über den Wabach heißt es 1580: „Die Wabeke kommt aus dem Vogler aus den Sieben Gehren, mündet bald in die Westerbeke und fließen zusammen in die Lenne. Ist ein geringer Bach, ungefähr vier Morgen lang. In der Laichzeit steigen die Forellen dieselben hinan und bleiben eine Zeitlang darauf, aber danach fällt es wieder in die Lenne. Die Westerwabeke ist die Scheidung zwischen meinem gnädigen Fürsten und Herrn und der von Grone Gehölzen und haben die von Grone von Alters her mit meinem gnädigen Fürsten und Herrn die Fischerei darauf zusammen gehabt.“

Karte der Vogler-Entwässerung
Die Entwässerung des Voglers
Sturzbach im Dorf
Sturzbach im Dorf
Bach am Rand der Straße
Bach am Rand der Straße

Der Wabach

Der Name „Wabach“ bereitet den Sprachforschern einige Schwierigkeiten. Wenn er als Grenzbach eine besondere Bedeutung hatte, dann sollten Namen für Grenzen darin ihren Niederschlag gefunden haben wie „Grenze“, „Mark“ oder „Schnat“. Das Wort „Grenze“ ist aus slawischen Sprachen entlehnt und erst spät eingeführt. „Mark“ wie dann in Grenzmark kommt hier nicht vor. „Schnat“ ist für unsere Landschaft typisch und bedeutet ursprünglich Schneise wie in Schnatbaum oder Schnatstein. Schnatbäume gab es auch im Wabachtal. – Schließlich bleibt noch die Möglichkeit des Begriffes „wenden“. Es kommt auch das Wort „Wendelstein“ für Grenzstein vor, eine sehr naheliegende Bezeichnung, denn der Bauer musste an der Grenze seinen Pflug wenden. Am Talausgang lag die wüst gefallene Siedlung „Wendfeld“. Bei Kirchbrak gibt es den Flurnamen „Hohe Wanne“. So bleibt die nicht bewiesene Möglichkeit, dass die Wabeke eine verstümmelte Wannebeke ist. Der Ort Wahmbeck soll auch an einer Grenze gelegen haben.

Eine Besonderheit im Wabachtal sind Glashüttenplätze. Der Wanderer wird, wenn er sich achtsam auf dem Waldboden umschaut, hier und da Spuren von Glashütten finden: mit einer Glasur überzogene Steine, Stücke von Glashäfen (Schmelzgefäße aus Ton), grünliche Glasstücke (Abfälle) und schließlich auch auffällige Buckel oder eingeebnete Stellen im Waldboden, wo einst Schmelzöfen oder primitive Hütten gestanden haben. Der Vogler war im späten Mittelalter oder in der frühen Neuzeit ein bevorzugtes Arbeitsgebiet von Glasmachern. Sie brauchten in großen Mengen Holz, und das machte ihnen hier im Wabachtal kaum jemand streitig, weder Salzsieder, Töpfer, Köhler oder Zimmerleute. Dank der abseitigen Lage blieb das Wabachtal von ihnen weitgehend verschont. Nur die Glasmacher selbst haben offenbar im benachbarten Revier jenseits der Grenze Holz fällen lassen. Die erwähnte Akte scheint das zu beweisen.

Ein besonders auffälliger Glashüttenplatz war der am Zusammenfluss der beiden Bäche. Nahebei ist eine Brücke, die in der Akte Saubrücke genannt wird. Auffällig war ein großer Schlackenblock aus Glasresten. Dieser ist leider zerstört worden, so dass bei sommerlichem Grasbewuchs die Stelle nur schwer zu finden ist. Am Hang zum Bach hinunter war die Erde durchsetzt von Glasresten, ein Zeichen dafür, dass die Hütte in Kriegszeiten, das heißt im Dreißigjährigen Krieg von herumstreunenden Soldaten zerstört worden ist. Dafür gibt es Belege. Von dem beklagenswerten Schicksal des Glasermeisters Greiner berichten Friedrich Tenner in seinem Heft „Alte Glashütten in Hils und Vogler“ (Coburg 1928, Seite 15) und Wilhelm Becker in der Abhandlung „Die Fürstlich-Braunschweigischen Glashütten“ (Niedersächsisches Jahrbuch 1927, Seite 34). – Die Herren von Grone erteilten die Konzession zur Arbeit der Glasmacher am steilen Westhang des westlichen Wabachtales im Bereich der Sieben Gehren. Der Verfasser stieß dort auf einen Schürgraben, in dem sich Hafenstücke fanden, die er zu einem großen Glashafen zusammensetzen konnte (jetzt im Glasmuseum Grünenplan). Im gesamten Vogler hat es (nach Bloß) 29 Glashüttenplätze gegeben, vermutlich aber noch mehr. Im Frankenhohl oberhalb von Heinrichshagen und am Melkenborn beweisen Glasreste die Hüttenplätze und oberhalb von Breitenkamp ebensolche im Hüttengrund.

Waldweg im Wabachtal
Waldweg im Wabachtal
Im Wabachtal
Im Wabachtal
Wehr des Wabachs
Wehr des Wabachs

II. Die frühe Geschichte des Voglers

Fünf dunkle Jahrhunderte

Die Zeit von Karl dem Großen um 800 bis zur ersten Erwähnung Breitenkamps um 1350 – es sind immerhin mehr als 500 Jahre – ist für unsere Region eine weithin dunkle Zeit. Aus der hohen Zeit der mittelalterlichen deutschen Kaiser ist zwar vieles bekannt und überliefert, für uns sind die Archive wenig ergiebig. Für den lokalen Bereich sind nur blitzlichtartige spärliche Aufhellungen vorhanden, die unvollkommene Rückschlüsse erlauben.

Für diese Zeit sei zum besseren Verständnis nur folgendes vermerkt: Karl der Große hatte Bistümer als Missionsbezirke gegründet und sein Reich in Grafschaften gegliedert. Die Grafen waren ihm direkt unterstellte Beamte. Mit dem Zerfall seines Reiches löste sich die Grafschaftsordnung mehr und mehr auf. Die Grafen erstrebten für ihren Bezirk Selbständigkeit, oft im Widerstreit mit den Bischöfen, und schalteten darüber wie über ihr Eigentum.

Es entwickelte sich das Lehnswesen, mehr oder weniger wie von selbst, damals als der einzige gangbare Weg, ein Land zu verwalten. Die Lehnspyramide vom Kaiser über mehrere Stufen bis hinab zum letzten Bauern kann nur theoretisch als die damalige Staatsform angesehen werden. Sie war immer nur in Bruchstücken vorhanden und unterlag ständigen Veränderungen. Die Lehnsherren wechselten ebenso wie die Lehnsleute und die Lehen selbst. So kauften und verkauften die Eigentümer Teile ihres Territoriums, vererbten ihr Besitztum an ihre Nachkommen, spendeten einiges an Klöster und Kirchen um ihres Seelenheiles willen, verpfändeten es oder nahmen es als Pfand, führten darum Kriege und gewannen oder verloren ihren Besitz. So entwickelten sich die Territorien nur selten zu einem abgerundeten Besitz etwa nach Art der Gaue. Zu einer Grafschaft gehörten in einem Dorf oft nur einzelne Höfe. Andere gehörten den Klöstern, der Kirche oder auch freien Bauern. Grafen oder Edelherren hatten darüber hinaus Funktionen als Gerichtsherren, als Vögte in den Städten, vertraten die Klöster als Klostervögte in weltlichen Angelegenheiten, ein zumeist ein recht einträgliches Geschäft, das ihnen freiwillig zugestanden wurde oder das sie unter Androhung von Gewalt forderten. Sie richteten Zollstationen ein und schröpften damit die Handelsleute auf den Straßen oder dem Wasser. Sie boten Kaufleuten Geleitschutz gegen gute Bezahlung an. Sie beanspruchten das Jagdrecht in den Wäldern. Nicht selten ließen sich die „edlen Ritter“ dazu herab, sich als Raubritter einen Nebenerwerb zu schaffen und Kaufmannszüge auszuplündern. So sahen sich einige hohe Herren, darunter Herzog Otto der Quade, Herzog Friedrich von Braunschweig, die Bischöfe von Paderborn und Hildesheim und der Landgraf von Hessen veranlasst, die Sichelgesellschaft (Seklerbund) zu gründen, um den Landfrieden zu bessern. Sie tagten 1391 in Bodenwerder (Rose, Chronik von Bodenwerder, Seite 51).

Wir wissen nichts darüber, ob und wie weit die Einwohner von Breitenkamp, das damals schon bestand, unter diesen Zeiten zu leiden hatten. Ihre versteckte Lage, von den Bergen des Voglers wie von einem hohen Schutzwall umgeben, hat sie vielleicht vor Schlimmstem bewahrt.

Die Grenzwirkung des Voglers

Betrachtet man den Vogler auf einer Landkarte, die seine gebirgige Gestalt nicht besonders darstellt, dann erscheint er als ein ziemlich abgerundetes kleines Gebilde von nur 10 km Länge und 5 km Breite. Man könnte Breitenkamp als dessen Mittelpunkt ansehen, um den sich einige Siedlungen scharen und deren Einwohner sich als zusammengehörig fühlen. – Ist aber seine Gebirgsform deutlich dargestellt, dann erkennt man, dass die Situation eine völlig andere sein muss. Dieser Sandsteinklotz sprengt die Einheit und entwickelt starke zentrifugale Kräfte. Breitenkamp als Zentrum ist nicht denkbar. Alle Gemeinden ringsum fühlen sich Zentren außerhalb des Gebirges zugehörig und haben entsprechende Beziehungen entwickelt. Heute haben diese Verwaltungszentren die Funktion von Samtgemeindemittelpunkten.

Die natürliche Wirkung des Voglers als Grenzträger ist uralt. Ein steinzeitlicher Jäger stieg wohl von seiner Seite bis zum Kamm hinauf, hat sich aber gewiss gescheut, jenseits des Kammes in unbekanntes Gelände hinabzusteigen, teils wohl aus Furcht vor dem Unbekannten, vielleicht auch vor feindlichen Jägern, die ihm das Wild streitig machen konnten, teils gewiss auch den mühevollen Aufstieg bei der Rückkehr scheuend. Diese psychologische Sperre hat gewiss auch bei unserm Minigebirge seine Wirkung getan und so bis auf den heutigen Tag. Beziehungen zu der Bevölkerung jenseits des Kammes sind nur sehr lose und werden bestenfalls mit dem Auto hergestellt.

So ergab es sich vor Zeiten, dass den altsächsischen Gauen als naturgegebenen Siedlungsräumen von allen Seiten her durch den Vogler Einhalt geboten wurde, für den Thilithigau von Norden her, für den Auegau im Südwesten und für einen Gau im Leinegebiet beziehungsweise den kleinen Gau Wikanafelde im Osten. Jeder Gau beanspruchte einen Voglerhang aus seiner Richtung. Einschränkend muss gesagt werden, dass diese Gaue noch keine markierten Grenzen kannten. Wir können ihre Lage nur vermuten.

In unserer morphologisch so deutlich durch Täler und Höhenzüge gestalteten Landschaft ergab es sich wie von selbst, dass für die nach Karl dem Großem geschaffenen Missionsbezirke und Diözesen im Wesentlichen die gleichen Abgrenzungen wie für die Gaue gewählt wurden, zumal schon nach den Gesetzen der fränkischen Könige, den Kapitularien, die geistlichen Bezirke übereinstimmend mit den weltlichen abgeteilt werden sollten (siehe Rustenbach, „Der Gau Wikanafelde“, Seiten 209 und 220).

So werden für den Gau Thilithi beziehungsweise die Diözese Minden die Dörfer Linse, Buchhagen, Westerbrak, Kirchbrak, Dielmissen, Breitenkamp, Heinrichshagen und Holenberg genannt. Im Hildesheimschen lagen Lüerdissen, Eschershausen, Holzen. Zu Paderborn gehörten Stadtoldendorf, Negenborn, vermutlich auch Golmbach. Weder Gau- noch Bistumsgrenzen sind immer genau zu definieren. Auch das Kloster Corvey stellte Ansprüche, zum Beispiel auf Bodenwerder und Kemnade. Beide wurden ursprünglich vom Bischof in Minden betreut.

Karte des Voglers mit den daraufliegenden Grenzen
Die Grenzwirkung des Voglers gegenüber den Gauen
Karte des Gaus Wikanafelde
Der Gau Wikanafelde – nach Rustenbach

Die frühe Geschichte des Voglers

Der Vogler mit seiner geringen Ausdehnung von 5 mal 10 Kilometern, seiner bescheidenen Höhe von 460 Metern hat in der Geschichte niemals eine besondere Rolle gespielt. Der Ebersnacken als höchste Erhebung hat offenbar nicht einmal unsere germanischen Vorfahren veranlasst, in dieser Kuppe einen Göttersitz zu sehen und sie einer Kultstätte für würdig zu halten. So fanden die Archäologen bisher keinen Anlass, nach vorgeschichtlichen Relikten zu suchen oder zu graben.

Keine Passstraße führt über den Vogler hinweg. Für die Dörfer an seinem Süd- und Nordhang bestand kein dringendes Bedürfnis nach engerer Verbindung. Es war leichter, dieses lästige Hindernis zu umgehen, als sich auf steilen Wegen darüber hinweg zu quälen.

Der Sandsteinklotz Vogler birgt in seinem Inneren keine kostbaren Rohstoffe wie Kohle oder Metallerze, deren Abbau lohnenswert erscheinen konnte. Salz, in etwa 500 m Tiefe zwischen Breitenkamp und Heinrichshagen festgestellt, konnte in der frühen Zeit noch nicht erbohrt werden. Immerhin wurde der Sandstein als Baumaterial gebraucht, schon beim Bau des Klosters Amelungsborn. Er wurde weithin verkauft, wobei die Weser als Transportweg eine Rolle spielte. Daneben lieferten die reichen Buchen- und Eichenbestände das Holz zum Hausbau. Es bildete auch einen wichtigen Rohstoff für Glasmacher und Köhler. Den Bauern lag daran, ihr Vieh in die Wälder treiben zu können in einer Zeit, als die Ernten noch sehr mager und unsicher ausfielen. – Das Jagdgebiet Vogler aber war den hohen Herren sehr willkommen. Als die Herzöge 1418 den Westhang des Voglers an die Stadt Bodenwerder verkauften, behielten sie sich ausdrücklich die Jagd in diesem Wald vor.

Dass der Sachsenherzog und spätere König Heinrich I. sich im Vogler dem Waidwerk des Vogelfanges hingegeben haben könnte, ist eine reine Mär, die auf der Kombination von Heinrichshagen und Vogler beruht, aber keinen realen historischen Hintergrund hat. Die Überlieferung von der Überreichung der Königswürde ist ohnehin sehr vage, und wenn nicht Johann Nepomuk Vogl in seinem Gedicht das Ereignis so lebendig dargestellt hätte, das jeden Schüler zur Frage nach dem Ort des Geschehens anregt, dann würde wohl kaum jemand daran interessiert sein. Vogelherde kommen als Flurnamen sehr häufig vor, zum Beispiel auch bei Buchhagen, und jeder Ort nimmt für sich in Anspruch, den „echten“ Vogelherd zu besitzen. Für uns erscheint wesentlich, dass der Vogler nicht innerhalb eines altsächsischen Gaues lag, sondern drei von ihnen an ihn heranführten, gewissermaßen an ihm Halt fanden und er für sie zur Grenze wurde, obgleich er nicht wie der Ith eine langgestreckte Grenze bildet, sondern vielmehr eher so etwas wie ein Grenzknäuel, das es zu entwirren gilt. Wer heute die alten Grenzsteine auf dem Vogler verfolgt, wird verwundert ihre große Zahl und ihre Altersunterschiede feststellen und nicht so ohne weiteres ein klares Muster der Grenzlinien herausfinden.

karte der altsächsischen Gaue an der Oberweser
Die altsächsischen Gaue an der Oberweser

Die altsächsischen Gaue

Mehr schemenhaft mit unsicheren Grenzziehungen erscheinen in der Zeit vor Karl dem Großen die altsächsischen Gaue. Sie stellen offenbar natürliche Siedlungslandschaften dar und ergaben sich meist aus Bestrebungen machtbesessener Herren, wie wir es noch in unseren Tagen zum Leidwesen der Völker und der Bevölkerungen erleben. Gerade hier im Weserbergland spielten die natürlichen Gegebenheiten die entscheidende Rolle. Bewaldete Höhenzüge umschlossen einen offenen Siedlungsraum, eine Siedlungskammer, die den Menschen mit gutem Boden und klarem Wasser die notwendigen Lebensgrundlagen boten. Jenseits der Berge gab es ähnliche Bedingungen für die Bildung weiterer Gaue.

So entstand beiderseits der Weser der Weseraue-Gau oder Aue-Gau. Der Augau ist begrenzt durch die Talhänge und die Prallhangsperren bei Herstelle und Polle–Bodenwerder. Das schmale Wesertal südlich davon ließ keinen Gau entstehen. Nördlich von Bodenwerder schloss sich bis in die Gegend der Schaumburg der Thilithigau an. Das Lennetal bei Eschershausen zwischen Homburgwald, Ith, Hils und Vogler bildete vermutlich den kleinen Gau Wikanafelde, der aber nur einmal im Jahr 1004 in einer Urkunde des Klosters Kemnade erwähnt wird.

Die geographische Abgrenzung der Gaue ist nicht etwa urkundlich genau belegt. Sie ergibt sich nur undeutlich aus der späteren Erwähnung einzelner Dörfer, wenn es von ihnen heißt, dass sie in einem bestimmten Gau lagen. So lesen wir zum Beispiel in den Corveyer Traditionen oder den Beurkundungen anderer Klöster, dass dem Kloster Ländereien eines Dorfes übertragen wurden, das zu einem bestimmten Gau gehörte. Das heißt also, dass der Begriff „Gau“ in der Zeit der Christianisierung noch bekannt und üblich war. Daraus ergibt sich, welche Dörfer in einem Gau lagen und andererseits, welches Gebiet ein Gau umfasste. Oft ist es allerdings schwer, die Dörfer zu identifizieren, da sich ihre Namen in dem letzten Jahrtausend oft überraschend gewandelt haben. Die Erwähnung eines Dorfes ist natürlich auch weitgehend dem Zufall unterworfen, denn wenn keine Schenkungen an ein Kloster erfolgten, dann wird es auch nicht erwähnt. Breitenkamp und Heinrichshagen werden in dieser frühen Zeit noch nicht genannt, was also nicht bedeutet, dass hier im Vogler noch niemand ansässig gewesen wäre.

Einen besonderen Glücksfall bedeutet es, wenn über einen Gau noch Näheres überliefert ist. Das Zusammengehörigkeitsgefühl der Menschen dürfte es mit sich gebracht haben, dass sie als Vorstufe einer Verwaltung einen gemeinsamen Versammlungsplatz und Gerichtsplatz gehabt haben, dazu einen möglichst zentral gelegenen Fest- und Kultplatz. Auch ein Gelände für die militärische Übung der jungen Mannschaft durfte vorhanden gewesen sein, vermutlich die heute von gelegentlich als Flurnamen noch ausgewiesenen „Spielplätze“. Leider sind wir mangels schriftlicher Belege in diesem Bereich weitgehend auf Vermutungen und Spekulationen angewiesen und bewegen uns auf sehr unsicherem Terrain. Der Huno kann als der Ausbilder einer Hundertschaft im Gau angesehen werden.

In der Zeit der altsächsischen Gaue, das heißt also bis in die Zeit um 800 hatte der Vogler wie auch alle übrigen Wälder noch keine regulären Besitzer. Die Wälder standen allen zur Verfügung, zur Holznutzung, für die Jagd und beliebige weitere Zwecke. Nach der Eroberung des Sachsenlandes durch Karl den Großen galten der Kaiser und seine Nachfolger als die Herren des Landes. Sie verfügten über die königlichen Reichte, die „Regale“, und verliehen diese weiter an ihre Lehnsleute. Auch Bischöfe, Klöster und Städte hatten Anteil an den Regalen. Die Könige vergaben also das Jagdrecht, Geleitreicht, Zölle, Münzrecht, Marktrecht, Mühlenrecht, Salzrecht, Befestigungsrecht, Burgenbaurecht, Fischereirecht und Justizrecht. Infolge der zeitweisen Zerrüttung und Auflösung der königlichen Macht maßten sich niedere Herren die Vergabe dieser Rechte an.

Nach der Niederwerfung des Sachsenstammes kam es Karl dem Großen darauf an, mehr oder weniger gewaltsam die Sachsen mit dem Christentum vertraut zu machen. Dazu mussten Missionszentren geschaffen werden und von dort aus Missionsbezirke, die sich infolge der natürlichen Gegebenheiten der Landschaft im Wesentlichen mit den Gauen deckten, So stießen, ähnlich wie die Gaue hier in der Region des Voglers vier Missionsbezirke zusammen, aus denen sich die Bistümer entwickelten. Letztere umfassten zumeist mehrere Gaue. Der Augau war ein Teil der Diözese Paderborn, die Diözese Minden umschloss den Thilithigau, der Gau Wikanafelde war Teil der Diözese Elze, dann Hildesheim. Das Bistum Mainz reichte nicht unmittelbar bis an den Vogler.

Karte der Diözesen und Gaue nach Tacke
Diözesen und Gaue nach Tacke

Die frühen Bistümer

In unserer morphologisch so deutlich durch Höhenzüge und Täler gestalteten Landschaft decken sich die Grenzen bis hin zu den Gemeinden noch vielfach deutlich mit den altsächsischen Gaugrenzen. Es wurde in der Frühzeit sogar offiziell angestrebt, die Grenzen beizubehalten. Bereits nach den Gesetzen (Kapitularien) der fränkischen Könige sollten die geistlichen Bezirke übereinstimmend mit den weltlichen abgeteilt werden (siehe Rustenbach „Der Gau Wikanafelde“, Seiten 209–220).

Karte der frühen Bistümer

Die Diözesen mussten von Anfang an in kleinere Unterbezirke, die Archidiakonate, aufgeteilt werden und diese wiederum in Kapellengemeinden, eine Entwicklung, die nur langsam voranschreiten konnte in einem Volk, das nur mühsam an die christliche Lehre herangeführt werden konnte, denn mit der äußerlich vollzogenen Taufe war nur wenig erreicht. Der für unseren Raum zuständige Archidiakon hatte seinen Sitz in Kirchohsen, einem Ort, der dank der Weserfurt einst ähnlich bedeutsam war wie Hameln. Die missionarische Durchdringung des Raumes erforderte Jahrzehnte, wenn nicht Jahrhunderte. Wir wissen, dass sich heidnisches Gedankengut bis in unsere Tage erhalten hat. Wenn wir heute auf dem Heiligenberg bei Heyen auf die Reste einer Kapellenruine stoßen, dann können wir mit Sicherheit annehmen, dass an der gleichen Stelle sich ursprünglich ein germanisches Heiligtum befand. Weitere Flurnamen wie „Heilige Eiche“ oder „Predigtstuhl“ lassen darauf schließen, dass in der Zeit der Missionierung gerade hier der germanische Götterglaube besonders lebendig war.

Die Bischöfe waren bald nicht nur geistliche Betreuer der Schäflein ihres Bistums. Sie entwickelten sich zu Landesherren, für den König zuverlässiger als die Grafen, da sie ohne Nachkommen weder auf Verwandte noch auf Erben Rücksicht zu nehmen brauchten. Als Fürstbischöfe, die gewöhnlich dem Hochadel entstammten und mehr eine ritterliche als geistliche Ausbildung genossen hatten, waren sie auch in Kriegszügen getreue Gefolgsleute des Königs beziehungsweise Kaisers. Ihre geistlichen Aufgaben überließen sie Vertretern. Besonders Kaiser Otto I. verließ sich eher auf Bischöfe als auf seine ungetreue Verwandtschaft.

Die Grenze des Bistums Hildesheim um 1000

Bevor wir etwas über Breitenkamp erfahren, gibt es zwei frühe Erwähnungen des Voglers in Urkunden. Die erste stammt aus einer Grenzbeschreibung des Bistums Hildesheim aus der Zeit um das Jahr 1000. Die Übersetzung aus dem Lateinischen, entnommen aus der Zeitschrift des Historischen Vereins für Niedersachsen, Jahrgang 1900, Seite 224. lautet auszugsweise folgendermaßen:

„… Vom Selter aber nach Eringabrug, von dort zum Hils und weiter zum Großen Kleeberg (zwischen Wickensen und dem Bahnhof Vorwohle), von dort zum Homburg-Bach (er mündet oberhalb von Wickensen in die Lenne), und weiter durch jene Burg, welche Wikinafeldisten (offenbar der alte Name der Homburg) heißt; dann im Radbach entlang und im Forstbach bis Bunikanroth (Siedlung am Forstbach zwischen Amelungsborn und Negenborn) und weiter nach Holenberg; dann aber über die „Montes Fugleri“ (über die Berge des Voglers) bis Wabeke, von dort in der Lenne bis Burgripi (Wüstung bei Dielmissen), von dort auf den Kamm des Ith und auf diesem entlang bis Koppenbrügge; …“

„Montes Fugleri“ muss man wohl mit „Berge des Vogelfanges“ übersetzen, denn der Vogelfang war im Mittelalter bis in die Neuzeit eine allgemein ausgeübte Jagdmethode, durch die man die Speisetafel mit frischem Fleisch versah.

Karte der Diözesen
Aus: F. J. Wothe „Für die Menschen bestellt“, Hildesheim 1978

Die Kaiserurkunde aus dem Jahr 1033

Die Urkunde ist eine Kaiserurkunde aus dem Jahr 1033, ausgestellt von Kaiser Konrad II. (1024–1039) in Merseburg. Der Text lautet folgendermaßen:

„Im Namen der heiligen und unteilbaren Dreifaltigkeit: Konrad von Gottes Gnaden römischer Kaiser. Wir wollen, dass allen gläubigen Christen bekannt werde, dass Sigibert, der Bischof zu Minden, unsere Hoheit bat, wir sollten ihm durch kaiserliches Dekret ein bestimmtes Waldgebiet festlegen. – Dieser Wald beginnt bei der Mündung der Lenne in die Weser. Seine Grenze verläuft den Fluss aufwärts bis zu dem Dorf Linse, dort wo der Bach Lucininhoue in die Lenne mündet. Den Bach aufwärts bis Halle, wo die Straße über den Bach führt. Dann die Straße weiter bis zu einem Ort, der Puregriffe heißt, wo die Grenze der Parochien Minden und Hildesheim ist; von dort direkt zum Wabach, der die Grenze der genannten Bistümer bildet; den Bach aufwärts bis zu dem Kamm des Voglers und diesen entlang in westlicher Richtung bis zu dem Dorf Rene; dann zur Weser und die Weser abwärts bis wieder zur Lennemündung. So sind wir dem Wunsch des Bischofs nachgekommen auf Bitten und Fürsprache unserer lieben Gisela, der Tochter des Königs Heinrich. Danach haben wir aus kaiserlicher Vollmacht befohlen, dass niemand in diesem Wald die Jagd ausübt ohne Zustimmung des Bischofs der genannten Kirche, und damit diese durch unseren Befehl ergangene Schenkung bis in alle Ewigkeit unverändert bestehen bleibe, haben wir angeordnet, dass diese Urkunde durch eigenhändige Unterschrift bekräftigt und mit unserem Siegel versehen werde.“

Unterschrift des Herrn Konrads, des unbesiegbaren Römischen Kaisers.

Karte mit der Grenze des Jagdbannes
Die Grenzen des Jagdbannes
Bild der Kaiserurkunde von 1033
Die Kaiserurkunde von 1033

Der Jagdbann des Bischofs und was daraus wurde

Wir können nur vermuten, welche Pläne der Bischof Sigibert im Sinn hatte, als er sich vom Kaiser Konrad den Jagdbann im Vogler erbat. Möglich, dass er selbst ein großer Nimrod, ein leidenschaftlicher Jäger war. Vielleicht lag ihm daran, seine Speisetafel durch Wildbret zu ergänzen. Gewiss lag ihm auch an einem ertragreichen Gutshof, einer „villicatio“, die mit ihren landwirtschaftlichen Erzeugnissen zusätzlich Nahrung für seine Hofhaltung liefern konnte. Kirchbrak schien da einen guten Ruf zu haben. Es soll 32 Tagesrationen für den bischöflichen Haushalt bereitgestellt haben. Auch die mit Forellen und anderen Speisefischen besetzte Lenne konnte dazu beitragen.

Sodann aber kam hinzu, dass der mehrere Tagesreisen von Minden entfernte Jagdbann mit einem Schiff auf der Weser gut zu erreichen war. Man konnte ein Schiff, beladen mit erlegten Rehen, Hirschen und Wildschweinen und mit den Erzeugnissen des Gutshofes, auf der Weser bis Minden treiben lassen.

Trotzdem dürfte die „villicatio“ doch für den Bischof nicht so ideal gelegen haben, wie es anfangs erschienen sein mag. Angesichts der großen Entfernung von etwa 70 Kilometern und den schwierigen Verkehrsverhältnissen zu Lande bereitete die Überwachung des Jagdbannes einschließlich der dazugehörigen Dörfer ständig Schwierigkeiten, zumal die Bauern bei der Ablieferung ihres Zehnten üblicherweise zuerst für sich selbst sorgten. Das Ganze war vermutlich eine Fehlkalkulation. Auf jeden Fall dürfte das Geschenk des Kaisers den Nachfolgern Sigiberts mehr Beschwernisse als Freuden eingebracht haben. Sie stießen eine Reihe der Außenhöfe gegen bestimmte Pfandsummen ab, nicht zuletzt, um ihre Schulden begleichen zu können. So übernahmen die Grafen von Everstein 1265 Kirchbrak gegen eine Pfandsumme, die die Bischöfe nicht wieder einlösen konnten. Sie verwandelten das Pfand vielmehr in ein Lehen unter Erhöhung der Pfandsumme auf 310 Mark Bremischen Silbers. Jährlich war dem Bischof ein Zins von einem Talent Hamelner Geldes zu zahlen. Der Nutzen für die Mindener Kirche war demnach nur noch gering. Im Register ist er nicht mehr erwähnt (nach Dieter Scriverius, „Die weltliche Regierung des Mindener Stiftes 1140–1397“, Hamburg 1966). Später sind die Lehen in den Besitz der Herren von Halle übergegangen. 1318 verkaufte der Bischof von Minden die villicatio für 160 Mark Bremischen Silbers an die Herren von Halle.

Damit scheiden die Bischöfe als weltliche Herren des Voglers aus. Das beweist die Tatsache, dass die Edelherren von der Homburg, die Ritter von Halle, Herr Ernst von Hake, Buchhagen, und die Gemeinde Brak sich über die Nutzung der gemeinsamen Holzmark, das heißt des Voglers, einigen (1321–1330). Vom Bischof von Minden ist dabei nicht mehr die Rede, auch nicht mehr im Eversteinischen Lehnsregister aus der Zeit um 1350.

Die geistliche Zuständigkeit und Aufsicht bleiben weiterhin bei dem Bischof. Er weiht 1392 einen von den Herren von Halle gestifteten Altar in der Kirche von Kirchbrak. (siehe Hans Hölscher: „Chronik des Kirchspiels Kirchbrak“, Kirchbrak 1985, Seite 1).

Wie hieß es doch in der Schenkungsurkunde des Kaisers? „… damit diese Schenkung bis in alle Ewigkeit unverändert bestehen bleibe.“

Zeichnung des Doms zu Minden
Der romanische Dom zu Minden

Breitenkamps fragliche Lage innerhalb des Jagdbannes

Bei Gesprächen über eine Dorfchronik kommt zumeist als erstes die Frage nach dem Alter des Ortes. Diese kann nur in seltenen Fällen eindeutig beantwortet werden. In der Zeit der Entstehung früher Siedlungen waren schriftliche Beurkundungen oder auch nur zufällige Erwähnungen nicht möglich, weil das Schreiben noch nicht üblich war oder schreibkundige Leute fehlten. In unserem niedersächsischen Raum gab es erst nach der Missionierung Mönche, die etwas hätten aufschreiben können. Bei Angaben über das Alter eines Ortes beschränkt man sich daher gezwungenermaßen auf die erste Erwähnung in irgendeiner zumeist von Mönchen geschriebenen Urkunde. Dieses Datum gilt dann als der Zeitpunkt, in dem man das Jubiläum eines Dorfes feiern kann. Bei Breitenkamp müsste man eventuell ähnlich verfahren.

Die älteste Beurkundung Breitenkamps hätte im Zusammenhang mit der Kaiserurkunde aus dem Jahr 1033 geschehen können, als Kaiser Konrad dem Bischof von Minden einen Teil des Voglers als Jagdbann übereignete. In diesem Jagdgebiet, dessen Grenze im Osten das Wabachtal bildete, lag auch der Voglerkessel. In der Urkunde ist zwar die Grenze recht genau beschrieben, es sind aber nicht Siedlungen erwähnt, die eventuell darin lagen. Später (1265) ist zwar Kirchbrak als im Pfandbesitz der Grafen von Everstein genannt, aber von Breitenkamp ist nicht die Rede.

Die Grafen von Everstein im Raum an der Diemel

In einer Chronik von Breitenkamp muss auch von den Grafen von Everstein die Rede sein, denn in deren Lehnsregister taucht der Name unseres Dorfes zum ersten Mal auf, das heißt um 1360, wie aus einer Abschrift von Professor Schnath hervorgeht.

Natürlich fragt man sich, wie die Eversteiner an die Oberweser gelangt sind. Eine Beziehung zu den Grafengeschlechtern in Süddeutschland lässt sich nicht feststellen oder gar zu den gräflichen Beamten aus der Zeit Karls des Großen. Nur vermutlich können die Eversteiner als Lehnsleute Heinrichs des Löwen in der Grafschaf Donnersberg südlich von Warburg als dessen Vasallen und als Vorgänger der hiesigen Eversteiner angesehen werden. Dort verloren sie allmählich ihre Grafenrechte, konnten aber hier im Weserraum allmählich fußfassen. Wann und unter welchen Umständen das geschah, ist nicht überliefert. Auch von dem Bau der Burg Everstein kündet keine Nachricht.

Foto der Kogelnburg zu Volkmarsen
Die Kogelnburg zu Volkmarsen
Karte der Eversteiner Stützpunkte an der südlichen Weser
Stützpunkte der Eversteiner am der südlichen Weser

Die Grafen von Everstein und der Vogler

Die Zahl der urkundlichen Belege wächst mit dem Auftreten der Grafen von Everstein und der Grafen von Northeim, dazu der Edelherren von der Homburg, die nach dem Tod des Northeimer Grafen Siegfrieds IV. die Edelherrschaft übernahmen. Von den Eversteinern wissen wir, dass sie ihre ehemalige Grafschaft Donnersberg bei Warburg aufgaben und hier an der Weser vermutlich das Erbe der Billunger antraten, als dieses Geschlecht 1106 mit dem Tod des Herzogs Magnus ausstarb.

Die erste Erwähnung der Eversteiner auf ihrer hiesigen Burg erhalten wir eigenartigerweise durch die Lebensbeschreibung des Vicelin, des „Apostels des Nordens“, der, wie wir erfahren, aus Hameln stammte und in jungen Jahren Aufnahme auf der Burg Everstein fand. Das geschah im Jahr 1122. Wann und wer sie erbaut hat, wird nirgends erwähnt. Erst 1226 wird sie wieder genannt. In welchem Zusammenhang die Eversteiner zu ihren Besitzungen längs der Weser zwischen Holzminden und Hameln gelangten, bleibt weitgehend unklar. So ist uns auch unbekannt, wann und von wem sie den Vogler mit Breitenkamp und Kirchbrak erwarben. Möglicherweise von dem Bischof von Minden, denn dieses waldreiche Gebiet lag zu weit entfernt von seinem Bischofssitz und war als Jagdrevier kaum nutzbringend zu verwerten. Für die Eversteiner dagegen war er mit seinen Wäldern von der Burg aus leicht zu erreichen.

Der Everstein von Amelungsborn aus gesehen
Der Everstein von Amelungsborn aus gesehen
Wall und Graben am Everstein
Wall und Graben am Everstein

Den Eversteinern gelang es, beiderseits der Weser Fuß zu fassen – außer in Bodenwerder. Vom Vogler nahmen sie den Westhang als Lehen von Minden. Der Südhang, der in ihrer Sichtweite von der Burg aus lag, dürfte ihnen ein lohnendes Jagdrevier gewesen sein, das an die Waldungen von Amelungsborn angrenzte. Ihrem Ausdehnungsdrang dürfte es zugutegekommen sein, als sich unter den Bischöfen einige fanden, die wenig Gefallen an dem weit entfernten Jagdbann hatten und die „villicatio bracha“, das Gutsdorf Kirchbrak, den Eversteinern als Pfandbesitz übergaben, das später in ein Lehen umgewandelt wurde. Zu dieser „villicatio“ gehörten zweifellos auch Wälder des Voglers. Noch um 1365 werden die Dörfer Kirchbrak, Westerbrak und Breitenkamp in einem Lehnsregister der Eversteiner genannt.

Das Schicksal nahm seinen Lauf. Die Herzöge von Braunschweig entrissen den Eversteinern 1284 ihre Stammburg. Diese residierten von da an auf der Burg Polle, das heißt jenseits der Weser. Damit dürfte ihr Interesse an den Wäldern des Voglers weitgehend geschwunden sein. Daher verkauften sie 1324 den Westhang des Voglers einschließlich Rühles an die Edelherren von der Homburg, nachdem sie schon 1217 die nördlich von Nienhagen und Holenberg gelegenen Forsten gegen 20 Mark Bremischen Silbers und ein Fuder Wein an das Kloster abgetreten hatten.

Die restlichen Wälder am Südosthang des Voglers, den Bützeberg und weitere Teile verkauften die unter ständigen Finanznöten leidenden Herzöge, hier Herzog Ernst I. von Braunschweig-Grubenhagen, für 100 Mark Silber an das Kloster. Der Reichtum des Klosters, der in diesen Käufen zum Ausdruck kommt, ist zweifellos ein Zeichen für die gute Wirtschaftsführung der Mönche. Ebenso kaufte die Stadt Bodenwerder von Herzog Friedrich von Braunschweig-Grubenhagen 1418 für 400 rheinische Gulden ein ehemals zum Schlosse Everstein gehöriges Holz, den Westhang des Voglers mit allem Zubehör (siehe Rose, Chronik von Bodenwerder, Seite 67).

Zwei Episoden aus der Geschichte der Eversteiner

Die Ermordung eines Homburger Edelherren

Die Rivalitäten zwischen den Grafen von Everstein und den Edelherren von der Homburg beleuchtet die Tatsache, dass ein Homburger, – vermutlich – Bodo von der Homburg, von den Eversteinern ermordet wurde. Das Ereignis ist historisch nicht belegt, weder der Name des Ermordeten noch das Jahr. So sind der Anlass und der Hergang nicht bekannt. Belegt aber ist, dass der Bischof von Hildesheim die Eversteiner mit erheblichen Kirchenstrafen belegt hat. Daraus ist zu schließen, nicht nur, dass das Verbrechen wirklich begangen worden ist, sondern dass es sich auch im Bereich eines geweihten Ortes abspielte, vermutlich in dem Umkreis einer Kirche oder in der Kirche selbst. Hier käme nur das Kloster Amelungsborn in Frage. Die Geschichtsforscher haben sich darüber ausgiebig Gedanken gemacht, sind aber natürlich nicht zu einem gesicherten Ergebnis gekommen.

Die grausame Bestrafung eines Eversteiners

Die Welfen hatten durch einen erzwungenen Erbvertrag das Erbe der Eversteiner beansprucht. Graf Konrad verbündet sich mit dem Erzbischof von Köln und widersetzte sich 1257 Gieselwerder herauszugeben. Dabei wurde er von dem Herzog gefangengenommen. Während der Erzbischof freikam, wurde Graf Konrad IV. als Lehnsmann der Welfen zum Tode verurteilt und wegen des Bruches des Erbvertrages zu einer besonders harten Strafe. Er wurde an den Füßen aufgehängt und starb erst nach drei Tagen eines qualvollen Todes.

Diese Ereignisse haben zwar mit Breitenkamp und dem Vogler nicht direkt etwas zu tun, sollen aber die Sitten der damaligen Zeit charakterisieren. Bei Verfehlungen der normalen Bürger oder der Bauern dürfte man auch nicht zimperlich vorgegangen sein.

Plateau des Everstein
Plateau des Everstein
Zeichnung von Burg Polle
Burg Polle
Karte des Besitzes der Grafen von Everstein
Lehns- und Eigenbesitz der Grafen von Everstein
Zeichnung von Burg Polle
Burg Polle
Zeichnung von Burg Polle
Burg Polle

Das Ende für die Eversteiner kam 1408, als ihr Geschlecht ohne männliche Erben erlosch. Auf diesen Umstand hatten die Herzöge schon immer gewartet und darauf hingearbeitet. Als 1409 die Homburger Edelherren das gleiche Schicksal ereilte, fiel den Herzögen der größte Teil des Voglers als eine reife Frucht in den Schoß.

Die Edelherren von der Homburg und der Vogler

Wann Graf Siegfried von Northeim die Homburg übernahm – vermutlich von den Billungern –, neu erbaute oder nur restaurierte, ist unbekannt. Er nannte sich von Homburg und Bomeneburg. Wir sind in vieler Hinsicht auf Vermutungen angewiesen, die hier nicht erörtert werden sollen. Sicher ist, dass er das Kloster Amelungsborn stiftet, wo 1135 der Konvent einzog. Er stattete das Kloster mit Wald im Homburgwald und im Vogler aus. Der Wald im Vogler lag im Bereich nördlich von Holenberg. Nach Rustenbach (Häger und Hägergerichte) bildete der Pahlstein oberhalb auf dem Kamm des Voglers den Grenzpunkt zwischen dem Haus Forst, dem Haus Homburg, dem Kloster Amelungsborn und den Herren von Grone (laut Forster Erbregister von 1585). Die Homburger Forsten reichten ursprünglich nur bis an den Wabach, der die Grenze zum Jagdbann des Bischofs von Minden bildete.

Wenn wir nach Urkunden über die Verbindung zwischen den Edelherren, die nach dem Tod Siegfrieds IV., als Herren der Homburg gelten, und dem Vogler fragen, dann werden wir enttäuscht. In den Regesten der Homburg von Hermann Dürre taucht der Vogler nur einmal auf, nämlich 1324, als der Eversteiner nach dem Verlust der Stammburg den westlichen Vogler mit Rühle „seinen lieben Neffen, den Brüdern Heinrich und Bodo, Herren zu Homburg,“ verkaufte. Das geschah also, als die Eversteiner bereits auf die Burg Polle übergesiedelt waren.

Hans Hölscher vermerkt in seiner Chronik des Kirchspiels Kirchbrak (Seite 1): In den Jahren 1321 bis 1330 regeln drei Verträge die Holznutzung zu Brak. Darin vergleichen sich die Edelherren zu Homburg, die Ritter von Halle, Herr Ernst von Hake, Buchhagen, und die Gemeinde Brak um die gemeinsame Holzmark. Gemeint ist der Vogler. – Hier erscheinen also die Edelherren als Nutzer des Holzes der Voglerwälder. Von dem Bischof von Minden ist hier nicht mehr die Rede. Es ist aber auch nichts über die Ausdehnung der Waldreviere gesagt, über mögliche Grenzen und ähnliches.

Zu diesen urkundlichen Belegen kommen einige Hinweise, die Rückschlüsse auf die Beziehungen der Homburger zum Vogler zulassen. Dazu gehört die Tatsache, dass die Edelherren 1245 die Stadt Bodenwerder von dem Kloster Corvey erwerben konnten. Dazu gehört, dass ein möglichst kurzer Verbindungsweg, und sei es nur ein Botenweg, zwischen Burg und Stadt vorhanden sein und durch den Vogler führen musste. Überraschenderweise gibt es da einen, offenbar sehr alten, Weg. Dieser umgeht, von Osten kommend, den Ebersnacken auf der Nordseite, führt durch das Melkenborntal in den Voglerkessel, aber nicht nach Heinrichshagen, sondern südlich daran vorbei in Richtung der heutigen Wegegabel. Er endet heute oberhalb des Ortes, ist aber im folgenden Teilstück umgepflügt als Feldgrenze noch vorhanden. Für die Heinrichshäger Bauern war dieser Weg völlig nutzlos. Jemand anderes musste ihn angelegt und gebraucht haben. Dieser Weg hat dann den Posten auf der Höhe und Westerbrak im Lennetal, nicht Kirchbrak, zum Ziel und schließlich die Weser bei Bodenwerder, ebenso das Kloster Kemnade, das mit den Grabstätten der Homburger als das Hauskloster dieses Geschlechts gelten kann.

Die Edelherren von der Homburg werden als Lehnsherren der Dörfer im Lennetal unter anderen in Lehnsregistern genannt. Breitenkamp ist nicht darunter. Auch vom Voglerwald erfährt man nichts.

Karte des Besitzes der Edelherren von der Homburg

Holzungen des Hauses Homburg 1580

Der Vogler ist ein Buchenholz von hohem buchenen Mastholze. Vom Teibock bis auf die Westerbeke eine gute halbe Meile Weges lang und beinahe eine halbe Meile breit; hat auch allerlei groß Wildbret von Hirschen, Rehen und Schweinen. Und Illustrissimas die Jagd alleine. Wenn volle Mast vorhanden, haben 1000 Schweine Mastung darinnen.

Holtz Ordnung zu Brack

Quellennachweis: Kopialbuch des Stiftes Hastenbeck in der Bibliothek des Oberlandesgerichts in Celle.

Wir, Ernst Hake, Hugo von Halle, Ritter, setzen somit der Gesamtheit der Kirchspielseinwohner in Brack eine gewisse Ordnung fest mit der Maßgabe, dass niemand vier Paar (Quart?) Holz schlagen verpflichtet sein soll, nämlich Eichen, Buchen, Eschen und Apfelbäumen. Wer eins dieser Hölzer einschlagen wird, der wird drei Solidi (Schilling) zahlen. Wenn jemand darüber hinaus Holz mit einem Wagen abführen wird, soll einen Solidus zahlen. Zur Bestätigung dieser Angelegenheit habe ich, Ernst Hake, diesen Brief durch mein Siegel bestätigt. Gegeben im Jahre des Herrn MCCCXXX am Tage der Märtyrer Marcellus und Marcellianus (18. Juni 1330).

Übersetzung aus dem lateinischen Text durch Herrn Udo von Grone, Wienhausen. Der vorgelegene Text ist nicht die Originalurkunde, sondern eine Abschrift aus dem 17. Jahrhundert.

Für die Richtigkeit der Abschrift:
Hans Hölscher, Hpt.-Lehrer
Kirchbrak, den 22. Mai 1961

Entscheidung um die Holtzmarck zu Brack

Quellennachweis: Kopialbuch des Stiftes Hastenbeck in der Bibliothek des Oberlandesgerichts Celle.

Wir, Hinrich und Bodo, Brüder, Herrn zu Homburg, bekennen in diesem offenen Briefe, dass Herr Hugo Halle und seine Brüder und Herr Ernst Hake vor und also geschieden sein um die Holzmark zu Brack, darum sie streitig waren.

Was Herr Hugo und seine Brüder ausgewiesen und ausgebreitet haben mit ihren wahren Worten, das Ackerland gewesen ist zu ihres Vaters Zeiten, das mögen sie wohl roden und zu Acker machen lassen, wenn sie wollen. Und das sollen sie dann allein nutzen, derweil, dass das Land ist. Und derweil das, darauf Holz steht und also dick mit, Holz bewachsen, so mögen Herr Hake und seine Leute in dem Holze wieder hauen und holzen nach ihren Nutzungsrechten, aber wenn Herr Hugo und seine Brüder es wieder zu Acker machen lassen wollen das mögen sie wohl ohne Hindernisse tun. Wenn da Brüche geschehen (Forstvergehen), dann sollen sie teilen noch dem Nutzungsrecht. Wäre es auch, dass da eine Mast und eine Drift sei, dann sollen sie eintreiben nach ihrer Nutzungsrecht, wie es recht ist.

Hiermit ist das alles die Scheidung, die unter ihnen war um dieselbe Holzmark zu Brack.

Bei dieser Scheidung sind gewesen Herr Hartmann von Dudigen, Herr Hartung, Herr Gehard und Herr Ernst von Eltze, Herr Walter Post und Herr Vrederick Sculde, Ritter Johann und Hartung von Vrenke und Johan von Börge, Knechte und andere gute Leute genug.

Zum Zeugnisse dieses haben wir, Herr Heinrich, diesen Brief besiegeln lassen mit unserm Siegel von unsers Bruders wegen.

Das ist geschehen nach Gottes Geburt über tausend und dreihundert Jahre in dem einundzwanzigsten Jahre, acht Tage vor Mitfasten. (21.III.1321).

Übersetzt aus dem mittelalterlichen Text durch Hans Hölscher, Hpt.-Lehrer in Kirchbrak. Der bearbeitete Text ist nicht die Originalurkunde, sondern eine Abschrift aus dem 17.Jahrhundert.

Für die Richtigkeit der Abschrift:
Hans Hölscher
Kirchbrak, den 22. Mai 1961

Die Homburg
Die Homburg

III. Die historische Entwicklung des Voglers

Die Hägersiedlungen in der Zeit um 1120

Mit der Erwähnung Breitenkamps in der Zeit um 1360 im Lehnsregister der Grafen von Everstein könnte man sich zufriedengeben, wenn das genaue Jahr auch nicht bekannt ist und keinen Anlass zu einer Jubiläumsfeier gibt. Nun findet sich aber eine zweite Aufzeichnung, die zwar auch nicht besonders stichhaltig ist, aber doch weitere Rückschlüsse zulässt. Es handelt sich um Berichte über Hägersiedlungen aus dem Anfang des 12. Jahrhunderts.

In der Zeit um 1130 – damals wurde auch das Kloster Amelungsborn gegründet – veranlasste der Bischof von Hildesheim die Anwerbung von Siedlern, vermutlich aus der Region am Niederrhein, und so trafen hier zwei Züge siedlungsbereiter Bauern in der Gegend um Eschershausen ein. Ihnen wurde geeignetes Waldgelände zugewiesen, das sie roden und urbar machen sollten. Um die neuangelegten Acker vor Wildschäden zu schützen, umgaben sie diese mit einer Hecke. So entstand eine umhegte Ackerfläche. Diese Methode der Einhegung war hier offenbar noch nicht üblich, denn man nannte diese Siedler „Heger“. Zur Kennzeichnung hängte man „‑hagen“ an den Namen des Siedlers an oder eine andere Bezeichnung. So entstanden in unserer Gegend zahlreiche „Hagendörfer“, die man an ihrem Namen als solche erkennt. Viele sind als Fehlsiedlungen oder aus irgendwelchen Gründen wieder eingegangen.

Um den Siedlern den mühsamen Anfang zu erleichtern, erhielten sie besondere Vorrechte, die an die jeweiligen Ackerstücke gebunden waren, zum Beispiel verminderte Abgaben, auf deren Bewahrung sie großen Wert legten. So hatten sie auch eine eigene Gerichtsbarkeit, die erst zur Zeit Napoleons aufgehoben wurde. In späteren Urkunden wird daher Hägergut immer wieder ausdrücklich genannt, so auch in dem Wickenser Erbregister, das zum ersten Mal um 1545 aufgestellt wurde und das bei dem Namen Edler beziehungsweise Klöster, „hägersches Land“ erwähnt. Vielfach sind die Hägervorrechte im Laufe der Zeit gestrichen worden, zum Beispiel bei Besitzerwechsel, weil sie ihre eigentliche Bedeutung längst verloren hatten. So werden sie in den folgenden Erbregistern nicht mehr genannt – wir können also annehmen, dass Breitenkamp, obgleich der Name nicht darauf schließen lässt, zu den um 1130 gegründeten Hägerdörfern gehört und somit fast 900 Jahre alt ist. Leider ist bei Heinrichshagen kein Hägergut nachweisbar, allerdings bei Buchhagen. Dort sind sechs Hägergüter genannt. Das „Brede Camp“ hat seit dieser frühen Zeit nicht zu bestehen aufgehört, sonst wäre das hägersche Land nicht 1545 noch erwähnt worden.

Soviel aber scheint sicher, dass in Breitenkamp auch Häger angesiedelt worden sind, ob zusätzlich in der Nähe eines schon vorhandenen Dorfes oder ganz neu „aus wilder Wurzel“, das weiß man nicht. Man kann also mit einiger Sicherheit annehmen, dass Breitenkamp zur Zeit der Ankunft der flämischen Siedler um 1120 schon bestand oder damals gegründet wurde. Außerdem erscheint sicher, dass es nicht wie viele andere Dörfer aus irgendwelchen Gründen wüst geworden ist, denn sonst hätte sich das Hägergut nicht ununterbrochen bis 1545 erhalten. Der weitere Fortbestand ist durch die folgenden Erbregister belegt. Man könnte also etwa 1995 die 875-Jahrfeier begangen haben und das wohl auch zusammen mit Heinrichshagen. Man könnte es bescheiden das Jubiläum der Ersterwähnung nennen.

Karte der Hägersiedlungen im Bereich des Voglers
Hägersiedlungen im Bereich des Voglers

Wie die obige Skizze zeigt, waren die Hagensiedlungen im Raum des Voglers besonders zahlreich. Dabei ist zu bedenken, dass diese Siedlungen nicht immer an dem Anhängsel „‑hagen“ zu erkennen sind, was zum Beispiel für Breitenkamp zutrifft. Dürre nennt in seinem Buch „Die Wüstungen des Kreises Holzminden“ zahlreiche Wüstungen, unter denen sich weitere ehemalige Hägersiedlungen befinden dürften. Die Lage der meisten Wüstungen lässt sich nicht mehr genau bestimmen. Die Ländereien der ehemaligen Hagensiedlungen in der Nähe der noch existierenden Dörfer sind vermutlich stets außerhalb der heutigen Gemarkungen zu suchen.

Der Besitzanteil des Klosters Amelungsborn am Vogler

Es war selbstverständlich. dass Siegfried IV. von Homburg als Stifter des Klosters Amelungsborn das Kloster auch mit einem ausreichenden Waldbesitz ausstattete. Dazu gehörten Teile des Homburgwaldes wie auch des nahen Voglers. Holz wurde für Bauzwecke gebraucht, als Brennmaterial, und die Wälder dienten als Weide für das Vieh und schließlich auch für die Jagd. Es ist wahrscheinlich. dass das Kloster auch eine Glashütte betrieb, die das Glas für die Kirchenfenster herstellte und auch Gläser für den Gebrauch im Haushalt. Die Mönche kamen vom Niederrhein, und dort hatten die Glashütten schon einen gewissen Standard erreicht. Auch im Kloster Doberan, einer Tochtergründung von Amelungsborn, hat es mit einiger Sicherheit Glashütten gegeben.

Die ersten Forstgrenzen des Klosters lassen sich wohl kaum nachweisen. Wie Rustenbach berichtet („Geschichte des Klosters Amelungsborn“ im Jahrbuch des Geschichtsvereins für das Herzogtum Braunschweig 1909, Seiten 70 ff.), konnte das Kloster weitere Waldteile des Voglers erwerben. Eine günstige Gelegenheit ergab sich, als die Eversteiner 1284 ihre Burg aufgeben mussten und das Interesse an den Voglerwaldungen verloren. Sie verkauften ihren Besitz für 20 Mark Silber (circa 5 kg) und für ein Fuder Wein. Als der Herzog Ernst, der neue Eigentümer Eversteinischer Besitztümer östlich der Weser, Teile der Voglerwälder abstoßen wollte, gab ihm das Kloster für Wald am Bützeberg 1372 unter anderem 100 Mark Silber. Diese Erwerbungen sind zweifellos ein Beweis für die Reichtümer, die die fleißigen Mönche hatten ansammeln konnten.

Es bleibt hierbei unklar, welche Waldgrenzen die von Spilker genannten Schnatbäume und Grenzsteine aus dem Jahr 1300 markiert haben (Schnath, „Herrschaften“, Anmerkungen Seiten 37 und 38). Es sollen die ersten im Vogler gesetzten Grenzsteine gewesen sein. Es ist kaum möglich, den Verlauf der alten Grenzen genau zu bestimmen, zumal es damals nicht nur um die Holznutzung ging, sondern besonders auch um die Waldweide ebenso wie die Jagd. Darüber kam es ständig zu Streitigkeiten, und die Kontrahenten nahmen es bei den Grenzen nicht so ernst. Vermutlich hat man auch die Rechte der Mönche weniger genau beachtet.

Im Rahmen der umfassenden Grenzregulierung zwischen Herzog Erich, Calenberg, und Herzog Heinrich, Braunschweig, in Gandersheim 1554–1556 legte ein Ausschuss auch die Grenzen des Klosters fest. Grenzsteine wurden damals in diesem Bereich wohl nicht aufgestellt. Durch die völlige Neuordnung des Klosterwesens infolge der Reformation 1568, also nur wenige Jahre später, wurden die Besitzungen der Klöster nicht angetastet. In Braunschweig waren die Herzöge darauf bedacht, den ehemaligen Klöstern ihren Besitz zu erhalten und ihn nicht zur eigenen Bereicherung zu vereinnahmen. Die landwirtschaftlichen Flächen und die Forsten wurden im Kloster- und Studienfonds und später in der Braunschweigstiftung zusammengefasst. (Vergleiche Herbert W. Göhmann, „Kloster Amelungsborn“, Holzminden 1982).

Unter Herzog Karl I. und seinem Oberjägermeister von Langen wurde das Land Braunschweig sehr gründlich vermessen. Die nachgedruckten Karten enthalten auch das Kloster Amelungsborn mit seinen Ländereien und dem Waldbesitz ringsum (siehe Zeichnung). Die heutigen Grenzen des Klosterbesitzes stimmen mit den damaligen anscheinend nicht völlig überein.

Karte und Stich von Amelungsborn

Der vermutlich älteste Grenzstein im Vogler, der Pahlstein

Zu den Grenzsteinen im Vogler, die dem Wanderer auf dem Kammweg begegnen, gehört oder gehörte der Pahlstein. Er stand oberhalb von Holenberg, ist aber zurzeit nicht auffindbar. Dort trafen sich die Grenzen von vier Forstbezirken, wie sie auf der Skizze dargestellt sind: die Ämter Forst und Wickensen, das Kloster Amelungsborn und die Herren von Grone.

Der Stein, ein „Vierherrenstein“, dürfte ursprünglich ein Pfahl gewesen sein, der dort seinen Platz hatte, nämlich wo einst die Grenze der Diözese Hildesheim den Kamm des Voglers überquerte (siehe Seiten 17 und 18) und wo die Grenze des Jagdbannes von 1033, vom Wabachtal kommend, den Kamm erreichte und nach Westen abbog (siehe Seite 19). Die vielfache Erwähnung des Steines in der heimatgeschichtlichen Literatur (siehe Seite 53) ist ein Zeichen dafür, dass er früher bekannt und sehr wichtig war.

Karte der Grenzverläufe mit dem Pahlstein

Der Grenzverlauf wurde entnommen der Karte des Landes Braunschweig im 18. Jahrhundert der Historischen Kommission für Niedersachsen XXIII herausgegeben 1963.

Bilder des Pahlsteins

Die Erwähnung des Pahlsteins in der älteren Literatur

Die Bedeutung des Pahlsteins als markanter Grenzstein wird deutlich durch seine häufige Erwähnung in der heimatgeschichtlichen Literatur.

Gabriel Campe: Grenzen und Hoheiten der alten Herrschaft Everstein, Seite 109: Von Holenberg den Bachgrund hinan nach dem Pfalstein, wo sich des Hauses Forst, Homburg, des Closters Amelungsborn und von der Junkern von Grohnden Holzung Grenzen zusammenstoßen.

Gabriel Campe: Seite 123, Den Pipengraben entlang bis auf den Pfalstein, oben auf dem Berg und auf der ecken (Eggen) der Langen Berge hinauf.
Seite 124, Und von dem Pipengraben bis oben an den Pfalstein, welcher alldar die Herrschaft Homburg und Everstein und deren Grentzen scheidet.

Robert Rustenbach: „Der ehemalige Gau Wikanafelde“ in Historischer Verein für Niedersachsen 1900, Seite 231: „Man erreicht östlich von Holenberg bei dem Pal- oder Pfahlstein den Kamm des Gebirges …“

Robert Rustenbach: „Häger und Hägergerichte …“, Historischer Verein für Niedersachsen 1903, Seite 596: „Bei Heinrichshagen ersteigen wir den Kamm des Voglers und erreichen über den Ebersnacken den Pfahlstein, wo sich nach dem Forster Erbregister von 1585 des Hauses Forst, Homburg, Kloster Amelungsborn und der Junker von Gronde Holzungen grenzen“.

Wickenser Erbregister um 1580, darin „Grenzen der Oberen und Niederen Börde der ehemaligen Herrschaft Homburg“: „Dann den Pipengraben entlang bis zum Holenberger Holz an den Pfalstein …“

Familienchronik derer von Hake um 1800: „Im allgemeinen wird diese Grenze angegeben von der Ahlbache an dem Buchhäger Holze … bis an den Paalstein, in der Wabache hinunter …“

Otto Bloß: Aktenfunde zur Standortbestimmung der Glashütten im Wabachtal. In diesen Notizen aus der Zeit um 1600 wird der Palstein dreimal erwähnt. Es ging um einen Streit um die Holznutzung im Wabachtal zwischen den Vertretern des Herzogs beziehungsweise dem Amt Wickensen und den Herren von Grone. Der Bergrücken zwischen den beiden Tälern des Wabachs heißt seitdem der Streitberg. Aussagen dazu machte ein Waldarbeiter des Herren von Grone, Lüdeke Wiesen aus Breitenkamp: „Der zwischen dem Paalstein und der bisherigen Gronischen Grenze gelegene Ort habe den Namen Streitberg bekommen.“ … „Man hätte oben von dem Paalstein an bis nach der Gronischen Grenze ungefähr so weit zu gehen wie von Eschershausen bis halb Scharfoldendorf.“ … „Er wisse, dass die alte ehemalige Gronsche Grenze gar bis an den Paalstein gegangen wäre“.

Diese wiederholten Erwähnungen des Paalsteins (Pfalsteins, Pfahlsteins, Palsteins und so weiter) beweisen, dass dieser Grenzstein von besonderer Bedeutung war, welche er auch heute noch trotz amtlicher Vermessungsmethoden gehabt hätte. Ob er entwendet worden ist oder vielleicht nur umgestürzt und von Gras überwuchert wurde, lässt sich möglicherweise noch feststellen. Es ist ein Trost, dass wenigstens Fotos von ihm vorhanden sind.

Die Schnatsteine am Schnippkopf

Eine Grenzregelung auf höchster Ebene, die auch den Vogler betraf, fand dann in den Jahren 1556 bis 1558 statt (siehe Schnath, Herrschaften, Seite 38). Eine Kommission fürstlicher Räte versammelte sich in Gandersheim, um die Grenzen zwischen den Landen der Herzöge Heinrich und Erich zu klären und festzulegen. Im Vogler ging es um die Anteile des Amtes Forst im Süden und Wickensen im Nordwesten. Das auffallende Ergebnis waren die „Schnatsteine“, besonders die auf dem Schnippkopf (437 m) oberhalb von Breitenkamp, wo ein kleinerer Stein am Kammweg steht, der größere aber etwas südlicher auf der Kuppe des Schnippkopfes (der Name ist ungeklärt). Die Seite des Herzogs Erich zeigt im Wappenschild ein verschlungenes HE, das Kreuz für Bodenwerder, als typisches Zeichen für Braunschweig die Wolfsangel, dazu ein W., das offenbar Wickensen bedeuten soll. Die andere Seite der Steine zeigt die verschlungenen HH für Herzog Heinrich, dazu die Wolfsangel.

Bilder und Skizzen der vier Seiten des Schnatsteins auf dem Schnippkopf
Die vier Seiten des Schnatsteins auf dem Schnippkopf

Der kleine Bruder des großen Schnatsteins auf dem Schnippkopf befindet sich etwa 200 m unterhalb an der Biegung des Kammweges. Er ist wesentlich kleiner als sein großer Bruder, aber unverkennbar aus dem gleichen Anlass aufgestellt. Er trägt die gleichen Signaturen: auf der einen Seite das E in einem Wappen, aber ohne das H für Herzog, meint also doch wohl Herzog Erich, darunter ein Kreuz für Bodenwerder und schließlich ein W, dessen Bedeutung unklar ist, vielleicht für „Wertere“ für Bodenwerder oder für „Wickensen“. – Auf der Schmalseite des Steines die ineinander geschlungenen HH, darunter eine Wolfsangel und weiter undefinierbare Markierungen. HH ohne Wappen kann wohl nur das Zeichen für Herzog Heinrich bedeuten.

Für Wanderer auf dem Kammweg zwischen Bodoturm und Ebersnacken ist der Stein nicht zu übersehen. Weitere Erklärungen finden sich in dem Text über den großen Schnatstein.

Der weitere Grenzverlauf auf dem Kamm des Voglers in Richtung Ebersnacken trennt die Forsten von Buchhagen und vom Staat bis zur sogenannten Buchhäger Spitze. Er ist durch einige große Grenzsteine markiert, deren Kennzeichnung auf beiden Seiten offenbar absichtlich mit dem Meißel entfernt worden ist, wann und aus welchem Grund, das ist auch der Forstverwaltung nicht bekannt.

Foto des kleinen Schnatsteins Foto des kleinen Schnatsteins
Der kleine Schnatstein

Grenzsteine im Vogler nach 1408/1409

Nach dem Aussterben der Grafen von Everstein 1408 und der Edelherren von der Homburg 1409 ging auch der Vogler in den Besitz der Herzöge von Braunschweig über. Damit fielen aber keineswegs die Grenzen im Vogler. Es entstanden als Verwaltungszentren allmählich die braunschweigischen Ämter, hier Wickensen und Forst, durchsetzt von den örtlichen Gutsbezirken des niederen Adels, der Herren von Hake und von Grone, letztere seit 1488 in Kirchbrak und Westerbrak. In den zahlreichen Auseinandersetzungen über Gerichtsbarkeit, Abgaben und Dienste ist vom Vogler, abgesehen von dem Verkauf des Stadtwaldes an die Stadt Bodenwerder, niemals die Rede (siehe Schnath, „Herrschaften“). Wichtig durfte aber doch eine Einigung über Verfestigung des gesamten Grenzsystems zwischen Calenberg und Wolfenbüttel gewesen sein. Sie erfolgte in den Jahren 1556 bis 1558 (Schnath, Seite 38) unter dem Vorsitz der Herzöge, Heinrich und Erich.

Die einst 1129 dem Kloster übertragenen Wälder im Vogler gehören seit der Reformation nach mehreren verwaltungstechnischen Veränderungen zum Kloster, das heißt innerhalb des „Vereinigten Kloster- und Studienfonds“ des ehemaligen Landes Braunschweig. Die Erträge fließen dadurch nicht in die Staatskasse des Landes Niedersachsen, sondern kommen kirchlichen und anderen kulturellen und karitativen Zwecken zugute.

Der Verkauf des Westhanges des Voglers durch die Herzöge an die Stadt Bodenwerder war die Folge einer der häufig auftretenden Geldverlegenheiten der hohen Herren. Damit ergab sich 1418 eine neue Grenzsituation auf dem westlichen Zug des Kammes. Dort berührten sich die Besitzungen der Herren von Hake mit dem Stadtwald, so dass neue Grenzsteine aufgestellt werden mussten. Sie tragen auf der Seite von Bodenwerder ein kleines gleicharmiges, das griechische Kreuz, auf der anderen Seite den Doppelhaken der Hakes. Spätere Steine mit der Jahreszahl 1821 kennzeichnen Bodenwerder durch die Buchstaben BW.

Schließlich aber ist dieser Grenzverlauf gleichzeitig Landesgrenze gewesen, das heißt übereinstimmend mit der Grenze zwischen Braunschweig und Calenberg (später Hannover). Bodenwerder war mit Pegestorf seit 1523 eine Enklave Calenbergs innerhalb des Landes Braunschweig (bis 1941), wurde also ringsherum mit den Grenzsteinen KH (= Königreich Hannover) und HB (= Herzogtum Braunschweig) versehen. Auch diese Steine findet man auf dem Kamm des Voglers wie auf dem Ith und rings um Bodenwerder.

Die Herren von Grone kennzeichneten ihren Waldbesitz durch kleinere Steine jüngeren Datums. Wo sie einander berühren, findet man auf der einen Seite die Buchstaben v. G. K. (= von Grone, Kirchbrak), auf der anderen Seite v. G. W. (= von Grone, Westerbrak).

Die Wolfsangel als Wappenzeichen auf Grenzsteinen

Wenn heute ein Schäfer seine Herden über Wiesen und Felder treibt, wenn er sie nachts fast ungeschützt ihrem Schicksal überlässt, dann denkt er nicht daran, dass früher Wachsamkeit oberstes Gebot war, denn einzelne Wölfe oder ganze Rudel konnten auftauchen und in der Herde schlimmstes Unheil anrichten. Diese Raubtiere waren bei der Bevölkerung gefürchtet und gehasst. Sie fielen über Weidetiere her und drangen auch nachts in nicht ausreichend gesicherte Ställe ein, wenn der Hunger sie dazu trieb. Die Wut der Bauern war oft groß, und ihnen war jedes Mittel recht, um der Landplage Herr zu werden. Schon seit der Zeit Karls des Großen ist bekannt, dass die Fürsten Wolfsjagden anordneten, auch hier im Braunschweigischen Land.

Eines von den zahlreichen Mitteln, die Wölfe zu bekämpfen, war die „Wolfsangel“. Verständlich, dass die Menschen viele Möglichkeiten ihrer technischen Gestaltung ersannen. Davon gibt es eine größere Zahl von Abbildungen und in Museen auch noch originale Modelle. Man kann davon ausgehen, dass die ältesten die einfachsten sind, die jeder Schmied ohne Schwierigkeiten anfertigen konnte. Es ist der Doppelhaken mit den beiden spitzen Winkeln. Leider findet man in der einschlägigen Literatur, und die ist sehr umfangreich, nirgends eine Abbildung von der Anwendung dieser Wolfsangel, so dass die Heimatforscher und Historiker es ablehnen, darüber Aussagen zu machen oder auch nur Vermutungen zu äußern.

Einleuchtend ist doch aber wohl diese Fangmethode: Bei der senkrechten Anbringung an einem Baum wird der obere spitze Schenkel in das Holz eingeschlagen. Auf die untere Spitze, die frei in die Luft ragt, wird ein Stück Fleisch aufgespießt, der Köder. Der Wolf springt danach, und die Spitze dringt in sein Maul und in den Rachen ein und reißt darin eine Wunde auf, die selbst, wenn er sich befreien kann, vermutlich den Tod herbeiführt entweder durch Verbluten oder durch Verhungern. Ähnliche Qualen muss ein Fisch ertragen, der nach einem Köder am Angelhaken geschnappt hat. Der Name „Wolfsangel“ ist verständlich. Man kann das Verfahren grausam und unwaidmännisch nennen. Bedenkt man aber die Wut der Bauern, wenn ihnen der Wolf ein Tier gerissen hatte, dann werden sie mit dem Wolf auch kein Erbarmen gehabt haben. Auch die Landesherren werden erfreut gewesen sein, wenn wieder ein Räuber erlegt war. Verschiedentlich setzten sie Fangprämien aus.

Man hätte gewiss nicht diese einfache Form der Wolfsangel als Wappenzeichen gewählt, wenn man damit nicht auch wiederholt Erfolge gehabt hätte. Die einfache Gestalt der Wolfsangel dürfte ein Grund gewesen sein, weshalb sie so oft angewandt wurde, als Grenzzeichen vom Steinmetz in Grenzsteine eingemeißelt, vom Förster in Schnatbäume eingeritzt, selbst bei Soldaten in die Uniform gestickt, als Hausmarken und Steinmetzzeichen und so weiter.

Im Vogler finden wir die Wolfsangel auf den Schnatsteinen auf dem Schnippkopf und dicht dabei am Kammweg als Zeichen der Grenzbestimmungen der Welfen 1554 und 1556. Auf dem Paalstein ist das Zeichen nicht zu erkennen, und auf den späteren Steinen fehlt die Wolfsangel ebenfalls, während sie nach Feststellungen von H. Rein, Hameln, im Umkreis von Hameln noch oft anzutreffen ist. Weitere Literatur: Joachim Jünemann, „Der Wolf“, und Ernst Schütz, „Über Wolfsangeln …“, Hofheim 1974.

Historischer Stich einer Wolfsangel
Die Wolfsangel: einfache Konstruktion, aber wirkungsvoll. Historischer Stich einer Wolfsangel: aus J. Jünnemann „Der Wolf“, Göttingen 1976.
Unterschiedliche Modelle von Wolfsangeln
Unter­schied­liche Modelle von Wolfs­angeln
Skizze von Wolfsangeln auf dem Schnatstein
Wolfs­angeln als Wappen­zeichen auf dem Schnat­stein
Skizze der Funktion einer Wolfsangel
Versuch der Darstellung der Wirkung einer Wolfsangel

Ein Grenzstein als Denkmal für Herzog Karl I.

Es war nicht einfach, im Vogler zwischen Holenberg und Rühle im Grasgrund ihn zu finden, einen Grenzstein mit einer eingemeißelten Krone, einem großen „C“ darunter die Buchstaben HZBL und die Jahreszahl 1746. HZBL konnte nur „Herzog zu Braunschweig-Lüneburg“ bedeuten. Schließlich entdeckten wir den Stein im unteren Grasgrund bei einer sumpfigen Wegekreuzung, halb verdeckt durch Gestrüpp. Dieser Grenzstein hebt sich dadurch vor anderen heraus, dass er nicht nur dürftige Buchstaben und Zahlen trägt, sondern eine Krone, ergänzt durch das „C“. Er weist eindeutig auf den Herzog Karl I. hin, der die braunschweigischen Lande von 1735 bis 1780 regierte, zu denen auch Solling und Vogler gehörten.

Grenzstein von Herzog Karl I.
Herzog Karl I.

Für das Land konnte nichts Besseres geschehen, als dass der Herzog einen Mitarbeiter fand, der nach erfahrungsreicher Tätigkeit besonders in Norwegen zum obersten Verwalter der Forsten aufstieg, den Oberjägermeister Johann Georg von Langen. Sie bildeten ein Zweigespann, wie man es sich kaum günstiger denken kann. Diese Zeit ist charakterisiert durch den „Merkantilismus“, eine Wirtschaftsform, in der man bestrebt war, seinem Land durch Förderung beziehungsweise Neugründung von Betrieben und durch Verstärkung der Ausfuhr und Einschränkung der Einfuhr die Staatskassen zu füllen. Von Langen erkannte, dass man die zum Teil völlig ungepflegten Wälder in Ordnung bringen müsste, um dann das Holz als wertvollen Rohstoff und Energiespender in Industriebetrieben verwerten zu können. Seine Fantasie und Tatkraft waren der rechte Motor für solche Pläne. Das Jagdschloss Fürstenberg diente ihm als Unterkunft, von wo aus er den Sollingwald ständig vor Augen hatte. Dort entstanden die Pläne zur Gründung einer Porzellanmanufaktur, der Spiegelglasfabrik in Grünenplan und der Eisenhütte in Delligsen neben weiteren kleineren Betrieben im Anschluss an neu angelegte Teiche in Holzminden. Es ist kaum zu glauben, was diesen beiden Männern, dem Herzog und von Langen, an Ideen noch einfiel, die verwirklicht wurden: eine Armenkasse, der Bau von Arbeitersiedlungen, die Einführung der Schulpflicht und so weiter. Dazu gehört schließlich auch eine groß angelegte Vermessung des ganzen Landes, der Gemarkungen der Dörfer wie der Wälder, durch die man einen Überblick über die Planungsmöglichkeiten des Landes erhielt. Unter den in diesem Zusammenhang aufgestellten Grenzsteinen verdient der im Vogler wiedergefundene Grenzstein mit der Krone des Herzogs einen besonderen Ehrenplatz und unsere Aufmerksamkeit. Der Typ dieses Steines kommt im Vogler vermutlich noch öfter vor, man müsste weitere ausfindig machen. Einer, der am Rande des Odfeldes unweit von Eschershausen bei der Lenke-Eiche noch vor wenigen Jahren stand, hat offenbar einen Liebhaber gefunden. Er ist verschwunden. Diese Steine sind wert, dass sie erhalten werden, damit sie auch in späteren Zeiten immer wieder an diese beiden Männer, den Herzog Karl I. von Braunschweig-Lüneburg und seinen tüchtigen und vorbildlichen Oberjägermeister Johann Georg von Langen erinnern, deren Wirken bis auf den heutigen Tag für die Nachwelt von Nutzen ist.

Brieffragment von Johann Georg von Langen
Ein Brieffragment mit der Unterschrift von Johann Georg von Langen aus dem Jahr 1747 an den Schatzrat von Grone

Grenzsteine zwischen Bodenwerder und Buchhagen

Die Grenze zwischen Bodenwerder und Buchhagen wurde offenbar mehrfach neu versteint, so zum Beispiel 1754 und 1821. Wir finden Grenzsteine mit BW 1821. Dazu die Ordnungszahl 49. Das müsste also der 49. Stein dieser Reihe sein, die keinesfalls noch vollständig ist. Im Bild der Stein mit der Ordnungszahl 75.

Grenzstein zwischen Bodenwerder und Buchhagen
Karte der Buchhäger Forsten im Vogler
Buchhäger Forsten im Vogler
Grenzstein zwischen Bodenwerder und Buchhagen

Eine weitere Reihe von Grenzsteinen, die die Zeiten überdauert haben, wurde im Jahr 1418 oder bald darauf gesetzt. Der Herzog Friedrich aus dem Hause Braunschweig, dem die Grafschaft Everstein zugefallen war, war wie so oft in Geldnöten. Er verkaufte daher den Westhang des Voglers der Stadt Bodenwerder, während der Osthang dieses Abschnittes den Herren von Hake in Buchhagen gehörte. Beide legten offenbar auf eine eindeutige Grenzmarkierung Wert. Die verwendeten Steine aus dem dort überall anstehenden Buntsandstein waren oft kaum behauen. Die Stadt Bodenwerder begnügte sich als Grenzzeichen mit einem Kreuz, das die Steinmetze als schlichtes griechisches oder als Andreaskreuz in billigster Ausführung einmeißelten, während die Hakes nicht auf den oder die Haken als ihr Signum verzichteten. Auch da findet man unterschiedliche Ausführungen, besonders auch in späterer Zeit aufwendigere Gestaltungen.

Grenzstein zwischen Bodenwerder und Buchhagen Grenzstein zwischen Bodenwerder und Buchhagen

Die Besiedlung des Voglers

Bei einem kleinen Gebirge mit vielen steilen Hängen und nur geringen brauchbaren Flächen kann man keine nutzbringende Besiedlung erwarten, die größere Räume umfasst. Dieser Zustand ist bei dem Vogler gegeben. So entstanden im Voglerkessel nur die beiden kleinen Dörfer Breitenkamp und Heinrichshagen mit zusammen kaum 300 Einwohnern. Rings um dieses „Gebirge“, an seine Hänge angelehnt, entstanden auch wieder nur Dörfer mäßiger Größe, Oelkassen, Osterbrak, Kirchbrak, Westerbrak und Buchhagen im Lennetal, Rühle an der Weser, eingeengt durch Fluss und Berg, an den Südhängen Holenberg und Golmbach. Das Städtchen Bodenwerder hat sich erst in neuerer Zeit am Westhang des Voglers ausgedehnt. Eschershausen mit Scharfoldendorf im Osten kann man nicht mehr zum Vogler gehörig dazu zählen.

Auffallend ist, dass eine Reihe kleinerer Siedlungen, Reme gegenüber Bodenwerder und Berebom, die diese Zeiten nicht überdauert haben, ebenso wenig wie einige Hägersiedlungen aus der Zeit um 1120, außer Flurnamen keine Spuren hinterließen. So blieb die Besiedlung innerhalb und rings um den Vogler ausgesprochen dürftig. Das hatte natürlich seine Gründe. Im Einzelnen aber ist nichts über das Ende dieser Siedlungen berichtet.

Warum der Vogler ganz allgemein so siedlungsfeindlich war, darüber lässt sich einiges vermuten, das trifft auch weitgehend für große Teile des Weserberglandes zu. Neben den Ackerflächen boten nur, auch heute noch, der Sandstein und das Holz der Wälder als Rohstoffe Arbeitsmöglichkeiten im Vogler. Die Erträge der Landwirtschaft sind hier begrenzt. Als noch vor hundert und mehr Jahren die Nachkommenzahl in den Familien zehn und mehr erreichte, mussten die jungen Leute sich zumeist auswärts Arbeit suchen. Wer hier im Dorf eine Unterkunft fand und eine Familie ernähren wollte, arbeitete den Sommer über in einem Steinbruch, im Winter im Wald als Holzfäller. Gips und Salz, die unter dem Sandstein zu finden waren, liegen zu tief, als dass man sie hätte abbauen können. Nur in Kirchbrak entwickelte sich aus einer normalen Mühle eine Holzwarenfabrik. die zeitweise mehr als 600 Mitarbeiter beschäftigte, darunter mehr als 30 Einwohner aus Breitenkamp.

Erwähnenswert ist auch eine Großgaststätte in Buchhagen, in der bei Veranstaltungen bis zu 2 000 Teilnehmer Unterkunft finden können.

Selbstständige Handwerker gibt es in Breitenkamp nicht mehr. Das Dorf hatte früher einen Maurermeister, einen Tischler und einen Schuhmacher. Es gibt sie nicht mehr, somit auch keine Ausbildungsmöglichkeiten für Jugendliche.

Im Ganzen muss man feststellen, dass es im Vogler und ringsum in den Gemeinden keine großräumige Wirtschaft gibt mit einer dichten Besiedlung. Die Dörfer sind verhältnismäßig klein geblieben. Kohle, Erze und ähnliche Rohstoffe, die als Basis für eine Industrie hätten dienen können, finden sich hier nicht. So blieb als besonderer Wert dieser Region die Schönheit der Landschaft. Sie möge uns auch weiterhin erhalten bleiben.

Heinrichshagen
Heinrichshagen
Golmbach
Golmbach
Buchhagen
Buchhagen

Die Entwicklung der Voglerwälder

Die Gletscher der letzten Eiszeit erreichten unseren Raum an der Oberweser nicht. Trotzdem war das Klima so kalt, dass kein durchgehender Wald entstehen konnte. Moose und Flechten bedeckten den Boden. Die weitere Entwicklung im Vogler dürfte hier nicht anders verlaufen sein als in den übrigen Mittelgebirgen, wo die Pollenanalyse, die mikroskopische Untersuchung der männlichen Samen in den Mooren nach Art, Menge und Tiefe im Boden Aufschluss über Pflanzengesellschaften ermöglicht.

Nach Tacke („Der Landkreis Holzminden“, Seite 56) breiteten sich während der Erwärmung zuerst Birken- und Kiefernwälder in sehr lockerer Besetzung aus. Diese mussten bei fortschreitender Erwärmung etwa ab 5500 v. Chr. Haselwäldern Platz machen. Bis etwa 2500 v. Chr. entstanden Eichenmischwälder, in denen auch Ulmen, Linden und Birken vorkamen. Fichten und Kiefern fehlten. Besonders frostfeste Fichten hatten die letzte Eiszeit in den Höhenlagen des Harzes überdauern können, konnten dann aber nicht über die Leine in das Weserbergland vordringen. Erst etwa 800 bis 500 setzte sich die Buche in einem kühleren Klima in den höheren Lagen der Mittelgebirge, so auch im Vogler, gegenüber den Eichenmischwäldern durch. Die Buche gedeiht heute besonders auf Kalkuntergrund wie dem des Ith besonders gut. Auf den sauren Sandsteinböden würden sich „Unkräuter“ wie Faulbaum, Eberesche, Espe, Birke und andere ausbreiten.

Seit die Menschen in das Waldgeschehen eingreifen, kann ein Naturwald etwa in der Art eines Urwaldes nicht mehr entstehen. Einesteils wurden durch das Abweiden des Waldbodens mit Rindern, Schafen und Ziegen nachwachsende Bäumchen abgefressen. Andererseits wurden und werden von Menschenhand alle nicht genehmen Jungbäume beseitigt, und nur Eichen, Buchen und einigen wertvollen Arten wird das Heranwachsen ermöglicht. Die Buche mit ihrer dichten Krone sorgt dafür, dass im Frühjahr unter ihrem noch unbelaubten Dach anspruchslose Frühblüher heranwachsen, sonst aber hauptsächlich Gräser den Boden bedecken.

Schließlich aber griff der Mensch auf seine Weise noch in die Waldentwicklung ein, indem er von sich aus hier ursprünglich nicht bodenständige Baumarten anpflanzte. Dieser Unternehmung verdanken wir die Fichte, unseren „Tannenbaum“ (picea). Speziell im Kreis Holzminden wirkte der Oberjägermeister von Langen im Auftrag des Herzogs Karl I. von Braunschweig-Lüneburg etwa um 1750. Er ließ die Wälder vermessen und Abteilungen einrichten, sorgte auch dafür, dass die Viehweide im Wald abgeschafft wurde und große Flächen mit der Fichte aufgeforstet wurden, die nach etwa 70 Jahren ein wertvolles Bauholz liefert. So bestehen heute etwa 30 % der Waldfläche des Voglers aus Fichten. Daneben hat man versucht, einige Baumarten, die die Eiszeiten in Amerika überstanden hatten, hier heimisch zu machen. Dazu gehört die Douglasie, die bei Heinrichshagen um 1880 zum ersten Mal angepflanzt wurde. Sie ist sehr schnellwüchsig und gegenüber Fäulnisbakterien sehr widerstandsfähig. Man verwendet sie gern in Bündeln als Duckdalben in Häfen. Die Tischler verwenden sie weniger gern.

Die moderne Forstwirtschaft meidet die Fichtenmonokulturen, durch die der Waldboden übersäuert und Schädlingen der Zugriff auf die Bestände erleichtert wird.

Vogler Kammweg
Vogler Kammweg
Vogler Kammweg
Vogler Kammweg
Hütte bei Buchhagen
Hütte bei Buchhagen

Buchhagen und die Herren von Hake

Zwischen Buchhagen und Breitenkamp haben stets enge Beziehungen bestanden. Die Buchhäger Forsten ziehen sich am inneren Hang des Voglerkessels hin und boten damit das nächstgelegene Arbeitsgebiet für die Breitenkämper Holzfäller. Ebenso tummelten sich hier Beeren- und Pilzesucher und fanden reiche Ernte. Seitdem die Motorsäge das wichtigste Werkzeug der Waldarbeiter ist, hat sich vieles verändert. Vor dem Kriege zog jeden Morgen, besonders im Winter, ein größerer Trupp aus Breitenkamp in den Buchhäger Wald, um unter der Anleitung von Oberförster Schneider zu Axt und Säge zu greifen. Schneider (geboren 1868, gestorben 1949) war es, der den bekannten und nach ihm benannten „Förster-Schneider-Weg“ anlegen ließ, einen Holzabfuhrweg, der von Buchhagen kommend, sich auf halber Höhe durch den Forst hinzieht bis zur Buchhäger Spitze etwa 1 km vom Ebersnacken entfernt. Durch diesen heute durch Schotter befestigten Weg wird die Holzabfuhr für schwere Fahrzeuge sehr erleichtert. – In der Nähe der Sausuhle, oberhalb von Breitenkamp, ließ Schneider sich eine Hütte bauen, in der er übernachtete, wenn er in der Abend- oder Morgendämmerung auf die Pirsch ging. Die Erinnerung an diesen tüchtigen Forstmann wird gewiss noch lange wach bleiben.

Die Geschichte des Dörfchens Buchhagen soll hier nur kurz gestreift werden. Hans Hölscher, Kirchbrak, hat sie in seinem Heft „Das Kirchspiel Kirchbrak“ ausführlich dargestellt (1985). Dem soll hier nur das Wichtigste entnommen werden.

Der Jagdbann, den Kaiser Konrad II. dem Bischof Sigibert von Minden 1033 übertrug, umfasste auch die Buchhäger Waldungen. Das Dorf existierte damals vermutlich noch nicht, denn es gehört zu den Hägersiedlungen, die erst um 1120 von flämischen Siedlern angelegt wurden. Darauf weist nicht nur die Endung „‑hagen“ des Namens hin, es wird auch bestätigt durch Eintragungen in den Wickenser Erbregistern von 1545 bis 1650, in denen sechs Höfe mit Hägergut genannt werden. – Der Bischof hat hier vermutlich einen Lehnsmann eingesetzt, der sich „von Bockhagen“ nannte. Als diese Familie ausstarb, kauften Hakes (oder von Hakes), die aus dem Calenbergischen Land kamen, Buchhagen und ließen sich damit belehnen. – Bei der Nähe zu Kirchbrak oder Westerbrak, das seit 1488 die von Grone als Grundherren innehatten, ist es verständlich, dass sich zwischen Hakes und von Grones verwandtschaftliche Beziehungen anbahnten. In den Kirchbräker Oberhof heiratete ein von Hake ein. Es kam zu langwierigen Streitigkeiten, die erst mit dem Tod des Herrn von Hake ein Ende fanden, sich aber bis zum Reichskammergericht hingezogen hatten. 1813 kaufte einer der von Grones die Buchhäger Feldmarken auf. Buchhagen behielt aber die Forsten, die es auch heute noch besitzt. Es gehört zu einem unteilbaren Familienbesitz, zu dem auch Ohr, Hasperde und Diedersen gehören.

Buchhagen hat in neuerer Zeit eine erhebliche Aufwertung durch eine Großgaststätte erfahren, in der bei 2 000 Plätzen Großveranstaltungen stattfinden können und wo auch erste Künstler, bekannt aus Film, Rundfunk und Fernsehen auftreten. In dem Wiesengelände oberhalb des Gutshofes entstand seit 1991 eine Klosteranlage des deutschen Dreifaltigkeitsordens. Am 11. Oktober fand die Grundsteinlegung unter Abt Johannes statt, der den Bau mit zwei Ordensmitgliedern, unterstützt von freiwilligen Mitarbeitern und Sponsoren, durchgeführt und bis jetzt bis zu einem gewissen Abschluss gebracht hat. Die Wurzeln dieses Ordens sind in dem Kloster auf dem Heiligen Berg Athos zu suchen.

Buchhagen
Buchhagen
Buchhagen – Gasthaus Mittendorf
Buchhagen – Gasthaus Mittendorf
Gutshof Buchhagen
Gutshof Buchhagen

Die Forsten der Herren von Grone

Nach dem Aussterben der Edelherren von der Homburg 1409 annektierten die Herzöge von Braunschweig das verwaiste Territorium der Homburger und verwalteten es von dem entstehenden Amt Wickensen aus. Die Villicatio Bracha war Lehen derer von Brak, dann ein Lehen derer von Halle aus der Hand des Bischofs von Minden. Die Herzöge belehnten damit 1488 die Herren von Grone, die bis dahin die Verwalter der Pfalz Grona bei Göttingen gewesen waren.

Zu dem Kirchspiel beziehungsweise dem Gutsbezirk Kirchbrak gehörten die Dörfer Westerbrak, Breitenkamp und Heinrichshagen mit den dazugehörigen Feldmarken und den angrenzenden Wäldern. Alle Bauern waren Lehnsleute der von Grones und diesen dienst- und zehntpflichtig. Die Wälder, die die inneren Hänge des Voglers bedeckten, gehörten nur zum Teil zu dem von Gronschen Lehnsbezirk. Sie grenzten im Westen an die Besitzungen derer von Hake. Die Grenze zu den herzoglichen Forsten bildete im Süden im wesentlichen der Kamm des Voglers. Das Kloster Amelungsborn hatte dort seine Klosterforsten. Im Osten bildete das Wabachtal die Grenze. Der Wald galt ursprünglich als unerschöpflich, besonders was das Holz anbetrifft, so dass die Herren wie die Einwohner der Dörfer ihn nach Belieben nutzen konnten, das heißt Brenn- und Bauholz daraus entnehmen, Laubstreu sammeln, das Vieh, Rinder, Schafe und Pferde hineintreiben und die Schweine sich an Eicheln, Bucheckern, Pilzen und Gewürm mästen ließen. Das heißt aber nicht, dass die Herzöge nicht allmählich den Wert der Wälder erkannt hätten, mit Hilfe dessen sich die immer leere Privatschatulle auffüllen ließ. Eine herzogliche Forstordnung von 1678 weist alle am Wald Beteiligten, die Forstbeamten wie die Bauern, aber auch Fuhrleute, Händler, Holz- und Laubstreusammler an, dem Wald nicht irgendwie zu schaden und für das Wachstum der Bäume Sorge zu tragen und sie nicht zu beschädigen, ferner mit Bau- und Brennholz sparsam umzugehen, so zum Beispiel auch die „Hitzer“ im Schloss.

Der wirtschaftliche Nutzen, den der Wald erbrachte, bezog sich mehr und mehr auf die gewerbliche Wirtschaft. Das Holz wurde gebraucht nicht nur von Zimmerleuten, sondern in großen Mengen auch von Köhlern für die Eisengewinnung, von Salzsiedern, Töpfern und ganz besonders den Glasmachern, die in großem Stil Holz verbrauchten. Diese Waldnutzung betraf natürlich auch den Vogler.

Eine planmäßige Pflege der Wälder kam erst durch Herzog Karl I. und seinen Oberjägermeister von Langen auf. Seinem Bemühen verdankten die Braunschweiger Lande die Anpflanzung einer Baumart, die hier nicht heimisch war, der Fichte. Sein Einsatz für die Wälder wäre aber ohne Erfolg geblieben, wenn er nicht darum gekämpft hätte, dass die Waldweide der Bauern untersagt wurde. Auf den Kahlflächen konnte kein gesunder Wald emporwachsen, wenn große Viehherden allen Jungwuchs zunichtemachten. Damit machte er sich die Bauern zu unerbittlichen Gegnern. Das Ergebnis war, dass dieser so unerhört tüchtige Mitarbeiter des Herzogs, der auch am Hofe missgünstige Gegner und Neider fand, aufgab und am Ende des Siebenjährigen Krieges seinen Dienst für die braunschweigischen Lande quittierte. Dass er auch hier im Vogler tätig gewesen war, beweist seine Unterschrift unter einem beigefügten Brief.

Karte der Forsten
Grenzstein von Grone, Westerbrak
Grenzstein von Grone, Westerbrak

Dorf und Gut Westerbrak

Das Dorf Westerbrak konnte im Jahr 1983 das Jubiläum seiner 950-jährigen Ersterwähnung feiern. Im Jahr 1033 wird sein Name in einer Urkunde des Kaisers Konrad II. genannt, in der dieser dem Martinstift in Minden Besitzungen in „Westirbracha“ bestätigt. Es besteht wohl kein Zweifel, dass Westerbrak mit diesem Ort gemeint ist. Der Kaiser überließ damit, wie durch eine weitere Urkunde bestätigt wird, dem Bischof von Minden ein Jagdgebiet im Vogler am Rande des Lennetales. Die Grenzen werden darin genau beschrieben.

Erst dreihundert Jahre später findet sich eine Erwähnung von Westerbrak in einem Lehnsregister der Grafen von Everstein zusammen mit Kirchbrak und weiteren Orten aus der Zeit um 1350, als Westerbrak zu den Lehen der Herren von Halle und Brak gehörte. Lehnsherren waren die Grafen von Everstein, erwähnt in einem Lehnsregister von 1388. Mit dem Aussterben der Homburger fällt ihr Gebiet an die Herzöge von Braunschweig, deren Besitz in Ämter aufgeteilt wurde, hier das Amt Wickensen und dieses wiederum in die Obere Börde und Niedere Börde. Kirchbrak mit Westerbrak und Breitenkamp gehörte zur Oberen Börde, dem Gebiet um Eschershausen. Wickensen war der Sitz der Verwaltung.

Mit Kirchbrak wurden die Herren von Grone belehnt. Sie waren ursprünglich die Verwalter der Kaiserpfalz Gronau und hatten Besitzungen im Bereich von Göttingen. Diese war zerstört worden. Damit hatten sie ihre Aufgabe verloren. Der Herzog belehnte sie 1488 mit dem Gutsdorf Kirchbrak. So wurden sie auch die Lehnsherren von Westerbrak. Ein Heinrich von Grone vererbte seinen Besitz seinen drei Söhnen und teilte ihn auf in Oberhof und Niederhof oberhalb und unterhalb der Kirche. Der Oberhof bildet heute eine Grünfläche inmitten des Dorfes bei der Kirche. Der dritte Hof ist heute der wichtigste Teil von Westerbrak oberhalb der übrigen Häuser. Damit wurde das Gut Westerbrak ein selbständiger Gutshof.

Die weitere Geschichte von Westerbrak kann in diesem Zusammenhang nicht ausführlich dargestellt werden. Man findet sie mit allen Höhen und Tiefen in einigen der Gelben Hefte von Hans Hölscher, der sich ausführlich damit beschäftigt hat.

Seit dem Dreißigjährigen Krieg hat sich das Äußere des Gutes immer wieder erheblich gewandelt. Zum Hof gehörte ein Brauhaus, das früher als Einnahmequelle sehr begehrt war. Als das Herrenhaus baufällig geworden war, wurde es abgerissen, und das Brauhaus wurde zum Wohnhaus umgebaut. Scheune und Ställe wurden erweitert. Die Zufahrt zu diesem entstandenen Hofraum ist nach oben verlegt worden. Den Blickfang bei der Fahrt durch Westerbrak bildet heute das sogenannte „Engelstor“ aus dem Jahr 1733. Es wurde trotz des Protestes zahlreicher Kunstfreunde und der Familie von Grone weiter hinauf versetzt, damit Raum für die Durchgangsstraße geschaffen werden konnte. Auch von dem Park mussten einige alte Bäume geopfert werden. Nach dem plötzlichen Tod von Christian von Grone 1987 wurde die gesamte Landwirtschaft aufgegeben. Für das ehemalige Gut blieb allein der Wald erhalten, zwei Forsten im Vogler, einer oberhalb des Gutes, der andere im Ostteil des Voglers mit dem Ebersnackenturm.

Das Engelstor in Westerbrak
Das Engelstor in Westerbrak
Gutshaus Westerbrak
Gutshaus Westerbrak

Kirchbrak und der Nordhang des Voglers

Zwischen den Dörfern Buchhagen, Westerbrak und Osterbrak, dazu Oelkassen und den beiden Walddörfern Breitenkamp und Heinrichshagen im Voglerkessel hat Kirchbrak eine besondere Stellung als eine Art Zentrale, ist eine Einheitsgemeinde innerhalb der Samtgemeinde Bodenwerder, hat eine eigene Verwaltung mit einem Angestellten, eine Kirche mit Pfarramt und einem Geistlichen, eine Grundschule, einen Adelshof, einst lange Zeit zwei, mit den Bauern von Breitenkamp, Heinrichshagen und Kirchbrak als Lehns- und Dienstpflichtigen. Zwischen den Adligen von Westerbrak und Buchhagen bestanden im Laufe der Geschichte stets zahlreiche verwandtschaftliche Beziehungen. Dank seiner Lage an dem Flüsschen Lenne entstanden in Kirchbrak zwei Mühlen, von denen eine sich zu einer Holzwarenfabrik entwickelte, die zeitweise bis 600 Mitarbeiter beschäftigte. Im Jahr 1900 erhielt Kirchbrak auch einen Bahnhof an der Strecke Emmerthal-Vorwohle mit einem Gleisanschluss an die Holzwarenfabrik. Dazu hatte Kirchbrak eine Bäckerei, eine Fleischerei, Lebensmittelgeschäfte, mehrere Tischler, Sparkassenfilialen. Bushaltestellen wurden eingerichtet für die auswärtig arbeitenden Bürger. Eine Kfz-Werkstatt entstand für die wachsende Zahl der Kraftfahrzeugbesitzer.

Innerhalb dieses regen Gemeindelebens gab es im Laufe der Zeit immer wieder Veränderungen. Geschäfte wurden neu eingerichtet, andere geschlossen. Wege und Straßen wurden ausgebaut. Es gab niemals einen Stillstand in der Entwicklung. Diese Wandlungen wirkten sich natürlich auf die Lebensweise der Bewohner aus, auf die Arbeitsverhältnisse, auf die Anforderungen, auf die Ansprüche, auf die Dorfgemeinschaft und alle Lebensumstände.

Fast täglich kann man beobachten, auch in den angrenzenden Gemeinden, wie das Leben sich überall wandelt. So tritt auch in der Geschichte des gesamten Voglers, eines doch recht kleinen Lebensraumes, eine ständige Weiterentwicklung ein, ob zum Besseren oder Schlechteren, das muss sich immer erst herausstellen.

Kirche Kirchbrak
Kirche Kirchbrak
Gutshaus Kirchbrak
Gutshaus Kirchbrak
Holzwaren-Fabrik AMCO
Holzwaren-Fabrik AMCO
Der Posten oberhalb von Kirchbrak und Westerbrak
Der Posten oberhalb von Kirchbrak und Westerbrak

Glashütten im Vogler

Die Glasmacher, die hier im Vogler auftauchten, waren nicht etwa Einwohner unserer Dörfer. Ursprünglich kamen sie aus den Mittelmeerländern über Italien nach Frankreich und von dort über den Rhein nach Süddeutschland. Da sie sehr viel Holz verbrauchten, verlegten sie ihre Hütten immer weiter hinein in die nordwärts gelegenen Waldgebiete vom Schwarzwald, in den Bayrischen Wald, den Böhmerwald, über die hessischen Wälder, den Frankenwald und Thüringer Wald auch in das Weserbergland. Überall hinterließen sie ihre Spuren, im Thüringer Wald zum Beispiel die Herstellung von Christbaumschmuck. Das Holz der Wälder verbrauchten nicht sie allein, sondern auch Köhler, Tischler und Zimmerleute, Töpfer und Salzsieder, Bergleute und Aschenbrenner, die Haushalte in den Küchen und die Bauern, die ihr Vieh in die Wälder trieben, besonders so lange es noch keine Kartoffeln als Futter für Schweine gab. So verwundert es uns nicht, dass im Solling die „Große Blöße“ entstand, eine waldfreie Fläche, auf der sich der Wald nur langsam wieder ausbreitete.

So kamen die Glasmacher eines Tages auch in den Vogler. Beim Herzog von Braunschweig beantragten sie eine Konzession. Im Auftrag des Amtmannes von Wickensen mussten die Förster, damals noch „Jägermeister“, ihnen ein geeignetes Waldrevier zum Beispiel im Wabachtal zuweisen. Im unteren Teil des Tales legten sie eine Hütte an, schlugen im Winter ausreichend Holz ein, das sie dann im folgenden Sommer zwischen Ostern und dem beginnenden Winter verbrauchten, eine Meterbank bis zu drei Kilometern Länge.

Es werkelten da in einer Glashütte nicht etwa nur der Meister mit zwei oder drei Mitarbeitern. Eine Glashütte war nach mittelalterlichen Vorstellungen ein Großbetrieb mit etwa fünfzig und auch mehr Leuten. An einem Ofen mit drei und mehr Öffnungen arbeiteten bis sechs Leute jeweils Hand in Hand. Dazu kamen mehrere Schürer, die das Feuer Tag und Nacht in Gang halten mussten, ferner Packer, Träger, Fuhrleute, die zum Beispiel den Ton für die Häfen aus Großalmerode heranholen mussten, ferner den Sand, der mit Salz und Asche vermischt wurde. Glasmacher pachteten in Heinrichshagen einen Bauernhof, in dem die Frauen sich aufhielten und die ganze Belegschaft mit dem notwendigen Lebensunterhalt versorgten, dazu die Kinder. Auch ein Schulmeister gehörte zur Hütte, der auch die schriftlichen Arbeiten zu erledigen hatte. So verwundert es uns nicht, dass eine Hütte in Glashütte an der Oberweser neunzig Einwohner zählte.

Die Einwohner von Breitenkamp und Heinrichshagen waren also nicht unter den gelernten Glasmachern zu finden, sondern wurden höchstens zu Nebenarbeiten herangezogen. Glashüttenplätze lassen sich dank der auffindbaren Bruchstücke von Glashäfen am Melkenborn nachweisen und im Frankenhohl, das heißt zumeist in der Nähe einer Quelle, darüber hinaus im Wabachtal und am Hang des Voglers bei Holenberg und Golmbach, ebenso in zwei Tälern bei Breitenkamp. In den Kirchenbüchern von Kirchbrak sind Taufen von Kindern der Glasmacher beurkundet. Das nächste Ziel der weiter wandernden Glasmacher war der Hils, wo um 1750 dank der Initiative des Oberjägermeisters von Langen eine ortsfeste Glasfabrik entstand.

Glashafenreste im Wabachtal
Glashafenreste im Wabachtal
Glassiegel
Glassiegel
Weinglas 1634
Weinglas 1634

Köhler im Vogler

Der Wanderer im Vogler wird hier und da auf runde eingeebnete Plätze stoßen. Sie haben einen Durchmesser von acht bis zehn Metern. Untersucht man den Boden, dann wird man auf eine Schicht Kohle stoßen, offenbar Holzkohle, in kleinen Stücken oder zerbröckelt. An diesen Plätzen, Kohleplacken genannt, stand einmal zu runden Haufen gestapeltes Holz für die Meiler, die in Holzkohle verwandelt wurden.

Wenn wir heute von Holzkohle sprechen, dann meinen wir zumeist damit die Kohle, die wir fertig verpackt zum Grillen kaufen können, und ahnen nicht, dass sie in solchen Meilern auch heute noch entstanden sein kann. Wir wissen, dass die Würste oder Fleischstücke nicht bei offener Flamme gebraten werden, sondern dass beim Grillen die Wärme von dieser Holzkohle stammt, die im Grill nur glimmt und die Hitze ausströmt. Was ist geschehen?

Der Verfasser konnte eines Tages im Frühjahr einen Köhler in der Nähe von Dassel-Relliehausen im nördlichen Solling bei der Arbeit beobachten. Ihm war von einem Forstbeamten in einem Waldrevier ein Gelände angewiesen worden, in dem er seine Arbeit betreiben konnte. Hier hatte er von gefällten Buchen geeignete Äste, die als Bauholz nicht zu gebrauchen waren, gesammelt und in etwa ein Meter lange Stücke geschnitten. Diese wurden rings um den zukünftigen Meilerplacken gestapelt.

Dort begann der Köhler bei geeigneter Witterung mit der Arbeit. Zwischen zwei im Erdboden aufgestellten Stangen, die Quandelstangen, schichtete er etwas Reisig und trockenes Brennholz. Um diese Stangen herum stellte er nun in einem unteren Kreis das gestapelte Holz in einem großen Rund auf. Dabei ließ er von außen bis zur Mitte einen schmalen Zugang frei. War der Meiler fertig aufgebaut, dann zündete er mit einem ölgetränkten Lappen durch den „Quandelgang“ das Reisig und das Brennholz in der Mitte an. Alsbald kam Rauch beziehungsweise Wasserdampf aus dem abgedeckten Meiler heraus, das heißt er hatte gezündet, und das Holz begann zu schwelen. – Die einzelnen Arbeitsschritte des Köhlers bis hin zum Aufreißen der abgekühlten Holzkohle sollen hier nicht beschrieben werden. Zwölf bis vierzehn Tage dauerte es, bis die Kohle, in Säcke verpackt, abgeliefert und verkauft werden konnte. Inzwischen war schon ein zweiter Meiler in Angriff genommen worden.

Bevor es möglich war, die Steinkohle tief in der Erde abzubauen, war die Holzkohle das wichtigste Material zur Gewinnung von Eisen aus dem Eisenerz und zur Herstellung von Eisen. Auch für die Schmiede war Holzkohle unerlässlich. Daneben aber hatte man zahlreiche Möglichkeiten entdeckt und entwickelt, die Holzkohle in der Industrie und im Haushalt zu verwenden. – Im Laufe der Zeit aber wurde sie durch andere Stoffe und Verfahren abgelöst. Die industrielle Herstellung von Holzkohle von der Degussa in Bodenfelde im Solling beweist aber, dass sie noch im großen Stil gebraucht wird.

Im Vogler schwelten noch Meiler bis zum Beginn des Ersten Weltkrieges. Unter den Dorfbewohnern hat es niemals Köhler gegeben. Sie haben nur Fuhrdienste geleistet.

Köhler im Vogler
Köhler im Vogler
Die Folge der Köhlerplätze im Harz
Die Folge der Köhlerplätze im Harz

IV. Der Vogler, ein Wanderziel für Naturfreunde

Werk eines tüchtigen Forstmannes

Da hatte er nun mit vieler Mühe einen morschen Baumstamm bis in die Nähe des Dorfes hinuntergeschleppt, als plötzlich von oben her ein Hund angestürzt kam, ihn bellend umkreiste und jedes Entkommen unmöglich machte. Nach einigen bangen Minuten erschien dann auch der Förster, er pfiff seinen Hund zurück, verhörte den Holzdieb und protokollierte das Vergehen. So war der Förster Schneider, streng und korrekt.

Sein Wald und die Ordnung darin gingen ihm über alles. Eine Hütte hatte er sich an dem neu geschaffenen Holzabfuhrweg errichten lassen, um darin mit seinem Hund übernachten zu können, denn die Wilddieberei nahm überhand.

Er war im Westerwald 1868 geboren, und der Wald war ihm von Kindesbeinen an vertraut. Bei den Colmarer Jägern hatte er als Soldat gedient, und die soldatische aufrechte Haltung zeigte sich nicht nur in seiner aufrechten Körperhaltung, auch ein aufrechter Charakter zeichnete ihn aus. Nach einer forstlichen Ausbildung erhielt er eine Probeanstellung in Buchhagen, und dort heiratete er 1896. Als Verwalter der Hakeschen Forsten an den Nord- und Osthängen des inneren Voglerkessels blieb er seinem einmal gewählten Standort treu. Dort hatte er eine Mannschaft aus neun Waldarbeitern aus Breitenkamp, die mit langen Schrotsägen den dicken Buchen zu Leibe rückten. Besonders in den Wintermonaten war die Arbeit oft nicht leicht, wenn schon der tiefe Schnee den Aufstieg zu den Hauplätzen erschwerte und wenn ein Feuer zum Aufwärmen in den Essenspausen anziehend flackern musste. Förster Schneider bewährte sich so gut, dass er zum Oberförster aufstieg. Ein Lebenswerk, an dem sein Name bis zum heutigen Tag haftet, bildete die Anlage eines durchgehenden Holzabfuhrweges von insgesamt etwa acht Kilometern Länge. Nach Erreichen der Höhe oberhalb von Buchhagen zieht er sich von der Sausuhle an in etwa gleicher Höhe von 350 Metern fast bis zum Ebersnacken hin. Er ist durch Schotterung befestigt und wird gern als Wanderweg benutzt. So prangt der Name Förster-Schneider-Weg auf vielen der weißen Wegeschilder und erinnert die Wanderer immer wieder an diesen tüchtigen Forstmann. Seine letzte Ruhestätte fand er 1949 auf dem kleinen Friedhof in Buchhagen.

Foto des Försters Schneiders

Drei Aussichtstürme im Vogler

Was die Touristik anbetrifft, so liegt der Vogler gewissermaßen im Niemandsland zwischen den Großstädten, die normalerweise den größten Strom erholungssuchender Wanderer liefern. Die Hannoveraner werden aber zum größten Teil durch die vor dem Vogler liegenden Höhenzüge wie Süntel und Deister abgefiltert. Göttingen hat seinen Göttinger Wald, dazu den Südharz und auch den Solling. Die Kasseler Senke ist von den bewaldeten Höhen des Hessischen Berglandes umgeben, und der Erholungsbedarf der Paderborner Wanderfreunde ist bereits an der Weser gestillt.

So können wir uns im Vogler nicht über einen zu großen Ansturm des Wanderervolkes beklagen. Wer Einsamkeit und Stille sucht, findet sie hier mit Sicherheit. So brechen die Aussichtstürme, die der Vogler zu bieten hat, nicht unter dem Ansturm von Wanderstiefeln, obgleich die Türme doch Erstaunliches zu bieten haben. Der Vogler ist im Gegensatz zum Solling für Leute, die für Aussichten schwärmen, wie geschaffen. Die Wege führen über die steilen Hänge hinauf zu dem vielgewundenen Kamm, und wenn dort oben der Wald irgendwo gelichtet ist, bieten sich über die freien Hänge weite Ausblicke. Dieser Genuss währt allerdings nur wenige Jahre. Junge Bäume wachsen heran und ziehen einen neuen Vorhang vor den Ausblick, während sich an anderer Stelle durch einen Kahlschlag ein neues Fenster auftut.

Diesen Wechsel braucht man beim Ebersnacken nicht zu fürchten. Angesichts der Höhe des Turmes von 26 Metern können auch hohe Buchenwipfel die Aussicht nicht versperren, zumal die Hänge rings um den Turm steil abfallen. Der Ausblick von der Plattform bietet ringsum ein Gewoge von bewaldeten Höhen des Weserberglandes gleich einem Meer, das in der Bewegung erstarrte. Gute Sicht macht den Blick bis zum Brocken im Harz möglich und bis zum 50 km entfernten Hermannsdenkmal. Der 1990 eingeweihte Turm ist der vierte an diesem Platz seit 1890. Das Fichtenholz kann trotz guter Pflege der Fäulnis kaum zwanzig Jahre Widerstand leisten. Deshalb wurde bei dem neuesten Turm Douglasienholz verwendet. Der dürfte nun wohl länger als zwanzig Jahre besteigbar bleiben.

Ähnlich erging es dem Bodoturm auf dem „Zimmertalskopf“, jetzt „Bodohöhe“ genannt. 1979 wurde daher von den Technikern der Arminiuswerft in Bodenwerder ein verzinkter Stahlturm errichtet, der nun wohl vielen Generationen die Aussicht nach beiden Seiten ins Wesertal gewähren wird.

Die aus Stein errichtete Königszinne in 255 m Höhe auf dem Nordwestausläufer des Voglers entstand 1863 zur Erinnerung an die Schlacht bei Leipzig, die 1813 das Ende der Franzosenherrschaft brachte. Von dort bietet sich ein Ausblick auf die Stadt Bodenwerder und das Wesertal in Richtung Hehlen. Schließlich sei auch noch der Bismarckturm erwähnt, der mit seiner steinernen Stabilität auf dem Eckberg jenseits des Lennetales damals zu dem Namen „Bismarckturm“ Anlass gab. Es lohnt unbedingt, auch bis zu ihm hinaufzusteigen und den Blick auf die Stadt beiderseits der Weser zu genießen.

Kein Zweifel, die Aussichtstürme des Voglers sind die wichtigsten Attraktionen, um die eigentliche Attraktion kennen zu lernen, die Schönheit der Weserlandschaft.

Der Bodoturm
Der Bodoturm
Der Ebersnackenturm
Der Ebersnackenturm
Inschrift am Bodoturm
Inschrift am Bodoturm

Rundsichtskizze vom Ebersnacken

Rundsichtskizze vom Ebersnackenturm
Rundsichtskizze vom Ebersnackenturm

Wandergebiet Vogler (Karte)

Karte des Wandergebiets Vogler
Wandergebiet Vogler

Der Vogler als Teil des Naturparks Solling-Vogler

Anfang der sechziger Jahre begann man mehr und mehr zu begreifen, dass die Natur eines besonderen Schutzes bedarf, vor den Menschen ebenso wie für die Menschen. Die Bevölkerung hatte an Zahl zugenommen und beanspruchte mehr Raum ebenso wie an Gütern aller Art, die der Natur entzogen und der Umwelt entnommen werden mussten. Dem sollte Einhalt geboten werden.

Es gab schon hier und da spezielle Naturschutzgebiete, die dem Einfluss des Menschen gänzlich entzogen waren, wo Pflanzen und Tiere sich völlig unbehelligt entwickeln konnten. Daneben sollte es Landschaftsschutzgebiete, genannt Naturparke, geben, die zwar weiterhin der normalen Bewirtschaftung, landwirtschaftlich wie forstwirtschaftlich, zugänglich sein, aber doch mit einer besonderen Pflege bedacht werden sollten, um damit dem gestressten Menschen in einem gewissen Maße zur Verfügung zu stehen. Hier sollten Wanderwege, Ruheplätze, Schutzhütten, Parkmöglichkeiten, Spielplätze, Ausblicke und ähnliches angelegt werden, die den Menschen zur Verfügung stehen konnten, und das alles in begrenztem und vernünftigem Maße.

Der Betreiber dieser Parkplatzidee war ein Dr. Töpfer aus Hamburg, daneben aber auch der Präsident des damaligen Regierungsbezirks Hildesheim. Zur Mitwirkung sah sich die Forstverwaltung verpflichtet, dazu die zuständigen Verwaltungsbeamten der Kreise Einbeck, Northeim und Holzminden, zumal letzterer den größten Teil des Naturparks zu betreuen hatte. Selbstverständlich sollten auch die örtlichen Verkehrsvereine ihren Anteil dazu beitragen, hier der „Verein der Freunde des Voglers“.

Zur Konstituierung des „Naturparks Solling-Vogler“ fand in Dassel 1963 eine Tagung der zuständigen Herren der Regierung und der genannten Gremien statt, bei der Gartenarchitekt Dr. Werkmeister die Pläne erläuterte, die dem Naturpark das Gesicht geben sollten. Es wurde ausdrücklich festgestellt, dass auch der Vogler neben seinem großen Bruder Solling dazu gehören sollte, um dem wesentlich kleineren Gebirge, aber ausgestattet mit besonderen Merkmalen, die Zuwendungen eines Naturparks zugutekommen zu lassen, zumal auch er vollständig Teil des Kreises Holzminden ist. Der Kreis hat daher auch stets die Anliegen des Vereins der Freunde des Voglers gefördert und zum Beispiel zum Bau des Ebersnackenturmes beigetragen.

Karte des Naturparks Solling-Vogler
Der Naturpark Solling-Vogler

Schlussbetrachtung

Wir sind am Ende unserer Reise durch den Vogler. Wir haben dabei berichtet über seine Geologie, seine geografische Lage, seine Geschichte und weitere Eigentümlichkeiten, die sich im bescheidenen Maße boten. Auch in Sachen Wirtschaft und Volkskunde konnten wir nur wenig berichten. Es bot sich nichts Ungewöhnliches, das aufhorchen ließe.

Hier spielten sich keine Kriege ab. Die Berge hielten nach außen wie nach innen fremde Heerscharen ab. Es gab hier keine Reichtümer, um die herrschsüchtige Fürsten hätten kämpfen können. Weder die Bodenschätze wie Sandstein, Gips und Salz weckten die Begehrlichkeiten, noch die Wälder mit ihrem Holzreichtum. Nur für die Herren des Adels waren die waldreichen Jagdgebiete anfangs von Interesse.

Die Einwohner der umliegenden Dörfer finden hier ihr Auskommen, genießen die Stille und Unberührtheit der Landschaft und gönnen sie auch gern den Wanderern, die hier Erholung suchen und auch das heute noch. Von den Einwohnern wie auch von den Wanderfreunden wird besonders geschätzt, dass es hier keinen Durchgangsverkehr gibt, weder durch die beiden Dörfer Breitenkamp und Heinrichshagen, noch irgendwo über die Berge oder durch die Wälder. Man wird kaum jemals einem Kraftwagen begegnen, oder einem Lastwagen, der die schweren Holzstämme abfährt. Selbst Radfahrer oder Reiter sind hier eine Ausnahmeerscheinung.

So findet der Wanderfreund hier Zeit genug, sich anzuschauen, was die Natur an typischen Gewächsen bietet, denen der Sandsteinboden das Gedeihen erlaubt, zum Beispiel den rot leuchtenden Fingerhut oder das gelbe Kreuzkraut. Darüber hinaus kann er die Ausblicke genießen, die sich immer wieder von Lichtungen aus bieten, über die gleichsam wogenden bewaldeten Höhen des Weserberglandes und in die sich dazwischen ausbreitenden Täler, zumal das Weserbergland kein großes geschlossenes Waldgebiet darstellt, sondern eine aus zahlreichen gegliederten Teilen bestehende bergige Landschaft. Nur ein Teil davon ist unser von uns und vielen Wanderfreunden so mit Recht geschätzter Vogler.

Literaturverzeichnis

Friedrich Schreiber senior – Zum 80. Geburtstag 1995

Foto von Friedrich Schreiber

Breitenkamp (tz). In der Voglergemeinde Breitenkamp feiert mit dem im Ruhestand lebenden Pädagogen und Schulleiter Friedrich Schreiber am heutigen Sonnabend, 26. August, auch ein verdienstvoller Heimatforscher seinen 80. Geburtstag. Viele Gratulanten werden dem Jubilar für die Jahrzehnte unermüdlichen Wirkens und Forschens für seine „Wahlheimat“ Weserbergland danken, ist es ihm doch in zahlreichen Veröffentlichungen und als verantwortungsbewusster Mitarbeiter in verschiedenen Vereinigungen gelungen, Geschichte, Kultur und Landschaft der engeren und weiteren Heimat den Mitmenschen, Wanderfreunden und Erholungssuchenden nahe zu bringen. Er verstand es wie kaum ein anderer, das Bewusstsein für Naturschönheiten und geschichtliche Zusammenhänge zu wecken und damit auch die Heimat aus vielfältiger Perspektive liebenswerter zu gestalten, seine Hörer bei Vorträgen und seine Leser von Wanderführern und Zeitungsberichten zu immer neuen Entdeckungen aufzufordern.

Das alles ist umso erstaunlicher, als Friedrich Schreiber ja kein Niedersachse ist, sondern vor 80 Jahren in Halle an der Saale das Licht der Welt erblickte und bis zum Alter von 15 Jahren im Unstrut-Tal aufwuchs. Die Familie siedelte dann nach Woffleben im Kreis Nordhausen am Harz über, wo er auch 1934 seine Abitur-Prüfung ablegte. Er entschied sich für den Pädagogen-Beruf, besuchte von 1935 bis 1937 die Hochschule für Lehrerbildung in Cottbus und unterrichtete anschließend bis 1939 in Ostpreußen. Dabei machte er schon seine erste Bekanntschaft mit einer „Einklassigen“. Von 1941 bis 1945 erlebte er auf verschiedenen Kriegsschauplätzen den Zweiten Weltkrieg und fand dann Anstellung 1947 bis 1951 als Lehrer bei Münster in Westfalen, wo er bald Wald und Berge schmerzlich vermisste.

Seine Stellen-Tauschanzeige hatte tatsächlich Erfolg. Nur so waren auch „Ländergrenzen zu überwinden“. Und so kam es dann zu dem „denkwürdigen“ Umzug der Lehrer-Familie Schreiber – 1949 hatte er geheiratet – aus Westfalen nach Niedersachsen in das kleine Voglerdorf Breitenkamp. Hier ist Friedrich Schreiber nun schon 44 Jahre zuhause, hier unterrichtete er bis 1969 an der einklassigen Schule und nach ihrer Auflösung bis 1980 an der Grundschule in Kirchbrak, zuletzt bis zur Pensionierung auch als Schulleiter und Nachfolger von Hans Hölscher.

Der heimatverbundene Pädagoge fühlte sich im Vogler an seine früheren Harzjahre erinnert und griff in den 1960er Jahren auch zur Feder, der nun eine Fülle von Veröffentlichungen entstammten. Seine drei Wanderführer (50 Rundwanderungen durch das Weserbergland – 25 Rundwanderungen durch den Solling – Kleiner Wanderführer durch den Vogler) sind Ergebnisse eigener Entdeckungen und Erlebnisse.

Der Pädagogen-Beruf weckte in Friedrich Schreiber auch den Heimatkundler, der seinen Kindern fundiertes Wissen nahebringen wollte. Aus seinen gründlichen und umfassenden Kenntnissen heraus stellte er seine Sammlung „Heimatkundliche Anschlussstoffe für den Geschichtsunterricht“ zusammen. Sie umfasst alle wesentlichen Zeiträume von den Auseinandersetzungen zwischen Germanen und Römern bis zum Zweiten Weltkrieg. Für den Heimatkunde-Unterricht in der Grundschule verfasste er 1965 die „Heimatkunde Kreis Holzminden“, der inzwischen mehrere Auflagen folgten. Bald gehörte der schreibende Lehrer auch zu den Mitarbeitern der Heimatzeitung TAH, die ihm bis heute dankbar ist für immer neue fundierte Beiträge.

Friedrich Schreiber entdeckte aber bald, dass auch seine aktive Mitarbeit gefragt und geschätzt war. Er engagierte sich etwa ein Jahrzehnt als Vorsitzender des Vereins der Freunde des Voglers und einige Zeit an der Spitze des Kulturvereins Breitenkamp. Als 1983 der Heimat- und Geschichtsverein Holzminden gegründet wurde, trat er ihm selbstverständlich bei und arbeitete als Heimat-Literat mit, wie er denn seine Vielseitigkeit in seinen mehr als ein Dutzend umfassenden Veröffentlichungen in der Reihe der „Heimatkundlichen Arbeitsgemeinschaft“ unter Beweis gestellt hatte.

Wer erinnert sich nicht auch gern der vom Jubilar organisierten Busfahrten, die bis in die Gegenwart hinein immer wieder als Entdeckungsreisen jetzt selbst in die neuen Bundesländer beliebt geworden sind. Der Heimatkundler Friedrich Schreiber, dem auch der Naturpark Solling-Vogler im Solling-Verein am Herzen liegt, nutzte sein handwerkliches Talent, um in liebevoller Kleinarbeit die Wanderwege im Vogler zu beschildern. Nicht zuletzt waren seine fundierten Kenntnisse immer wieder in Volkshochschulvorträgen, ja auch bei Jubiläen in Gemeinden – wie 1994 in Heyen – hoch willkommen.

Diese außerordentliche Vielseitigkeit, gespeist von unerschöpflicher Heimat- und Naturliebe, hat sich das Geburtstagskind bis ins „hohe Alter“ bewahrt, und dazu gehören noch geistige Regsamkeit und Lebendigkeit, die den Jubilar „jung erhalten haben“. Man wünscht sich gerade an seinem Ehrentage, dass diesem stillen und bescheidenen Sachwalter seiner Heimat seine Schaffenskraft noch lange erhalten bleiben möge.



Notizen zur Digitalisierung des Originals

Das in einen dunkelblauen, festen Einband gebundene Buch mit weißem Umschlag enthält 92 Seiten im Format A4 (21,0 cm × 29,7 cm) und ist in einem Satzspiegel von 15,3 cm Breite gesetzt. Als Schriftart wurde Times New Roman in einer Größe von 12 Punkt verwendet, die Überschriften sind fett mit 14 Punkt Größe.

Das Buch erschien im Selbstverlag und leidet leider unter der sehr mangelhaften Qualität der Bilder und dem wohl fehlenden Lektorat. Die Bilder wurden für die digitale Version mit guter Qualität gescannt und geben den Eindruck aus dem Buch wieder.

In der digitalisierten Version sind Schreib- und Satzfehler korrigiert, die meisten Abkürzungen ausgeschrieben, die Schreibweisen und Zeichensetzung, außer in historischen Zitaten, an die aktuelle Rechtschreibung angepasst und einige stilistische Änderungen vorgenommen (beispielsweise Zahlwörter statt Ziffernschreibweise). Schriftauszeichnungen wurden vom Original übernommen.

Die Digitalisierung des Textes und der Bilder stammt von mir. Als Vorlage diente eine Originalausgabe aus kaeseschem Familienbesitz.

Christian Kaese
Eschershausen 2020