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Sagen und Er­zäh­lungen

Eschershäuser Geschichten und Erinnerungen aus alter Zeit

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Das Haus des Schweigens.

Die Brinksitzerstelle Nr. 14 in Holzen wird hier im Ort das „Haus des Schweigens“ genannt. Es hat damit folgende Bewandtnis:

Ende des 18. Jahrhunderts, etwa um 1770, starb der derzeitige Besitzer Johann Heinrich Schmidt.

Bei dem Amtmann in Wickensen, August Wilhelm Rosenstern von Freienhagen (gestorben 1782), war Heinrich Ahlbrecht aus Brak Kutscher und Diener. Die Ehefrau des Amtmanns, Charlotte Luise Bacherat (gestorben 1770), eine lebenslustige, prunkliebende Frau, fuhr mit ihrem Gemahl nach Pyrmont ins Bad.

Der Amtmann versuchte dort sein Glück im Spielsaal und verlor sein ganzes Geld an einen hochadligen Partner, einen Prinzen zur Lippe. Darüber wurde die hübsche Charlotte wütend und bezichtigte den Prinzen des Falschspiels. Dieser wurde ebenfalls wütend und stach die Beleidigerin nieder. Das Drama wurde vertuscht.

Noch in der Nacht fuhr der Amtmann zurück, die tote Amtmännin hielt er im Arm. In Wickensen wurde das Gerücht verbreitet, sie wäre am Herzschlag gestorben. Dem Diener wurde Schweigen geboten, dafür erhielt er die erst frei gewordenen Anbauerstelle Nr. 14.

Als das Haus um 1843 neu erbaut wurde, blieb die Bezeichnung und erhält sich auch heute noch, trotzdem die Besitzer wechselten.

Eine wahre Geschichte aus der Zeit des Königreichs Westfalen.

Gemälde „Der Chasseur im Walde“
Das Gemälde „Der Chasseur im Walde“ von Caspar David Friedrich (1774–1840) entstand 1814 unter dem Eindruck von Napoleons Untergang in Russland und seiner Niederlage in der Völkerschlacht bei Leipzig.

Es war im Sommer 1813 – die Franzosenherrschaft hatte schon bedenkliche Risse bekommen, als eine Abteilung in Holzen Quartier bezog. Die Kriegskasse hatten sie auf der Scheune des Dikhofes untergebracht. Auf dem Hofe dienten eine Magd und ein Knecht, die sich gernhatten. Aber zum Heiraten gehört Geld, und das fehlte.

Der Knecht, dessen Name mir entfallen ist, den ich aber Heinrich nennen will, hatte nun einen tollen Plan. Er besorgte sich mehrere Liter Wickenser Korn und überredete seine Marie, dass sie am andern Abend der Wache so lange einschenken sollte, bis sie betrunken sei. Den restlichen Schnaps sollte sie dann der Wache noch geben. Heinrich ließ sich den ganzen Tag nicht blicken. Um Mitternacht, als die Wache betrunken war, führte er seinen Plan aus und beraubte die Kriegskasse. Das Geld versteckte er unter der Teufelsküche.

Als die Franzosen am andern Morgen den Diebstahl entdeckten, fiel der Verdacht auf Marie. Sie bestritt aber, etwas davon zu wissen. Nun wurde sie auf der Scheune durchgeprügelt, so dass sie jämmerlich schrie. Aber sie gestand nichts. Und immer wieder rief der französische Korporal: „Die Marianne hat’s doch getan! Haut sie so lange, bis sie sagt, wo sie es gelassen hat!“ Aber Marianne schwieg, denn sie wusste auch nicht, wo ihr lieber Heinrich mit der Beute geblieben war. Vor dem Hofe standen die Dorfbewohner, und schaurig klang das Wehklagen der armen Magd. Da, in der höchsten Not, als die Franzosen zum äußersten schreiten wollten, kam eine Ordonnanz, die das eilige Abrücken zur Folge hatte. Marie hatte die Verwirrung benutzt und war entkommen; sonst hätten sie sie auch noch mitgenommen.

Ganz unheimlich war Heinrich das Schreien seiner Marie in die Ohren geklungen, und er war schon im Begriff gewesen, die Qualen durch ein Geständnis zu beenden. Er kam nun lächelnd zum Vorschein und war über die gute Beute zufrieden. Als das Königreich Westfalen in die Brüche ging, soll er sich in Harderode oder Bremke einen Hof gekauft haben. Und Marie hat er dadurch entschädigt, dass sie seine Frau wurde.

Der Deneweg bei Holzen.

Gemälde des schwarzen Herzogs
Unser Heldenherzog Friedrich Wilhelm von Braunschweig-Oels in einem Gemälde von Johann Christian August Schwartz (1756–1814).

Das um 1004 erwähnte „Rothe“, wo das Nonnenkloster Kemnade einen Hof besaß, ist wohl vom Erdboden verschwunden, aber um 1760 besaß das fürstliche Amt Wickensen noch eine Wiese im „Rothe“. Hierher führte der Deneweg, der auf die Hallenser Straße mündete. Die Hallenser Straße führte über den Sandgrabenplanweg am Holzer Friedhof lang über Nerenwiese zum Hohlweg, der, von Wickensen kommend, an der Südseite von Holzen über den Mönchshof führte.

Noch heute ist es am Deneweg nicht geheuer. Voll Aufregung gehen die Leute am Deneweg vorbei, immer in Angst, am Eingang des Denewegs die weiße Frau zu sehen. Nur junge Liebesleute suchen den Deneweg gern auf, um hier ein Schäferstündchen zu verleben. Auch bringt es Glück, wenn ihnen hier am Rothebach die weiße Frau erscheint.

So war es 1815 auch, als Christian Ritterbusch mit Louise Rische hier spazieren ging. Rischen, ein beherztes Mädchen, war von Wickensen herübergekommen, um Christian zu sehen. Sie hatte erfahren, dass Napoleon wieder in Freiheit sei. Nun brannte sie darauf, Christian diese Neuigkeit zu erzählen. Christian war 1792 geboren und machte Anstalt, auf den Siebenbachhof eine Frau zu nehmen. Die dunklen Haarflechten, die Louise so wunderbar standen, hatten es ihm angetan. Voll Eifer hatte er schon am Schwarzen Kreuz, das auf der Wanne am Hohlweg, der von Wickensen kam und über den Mönchshof führte, stand, auf sie gewartet. Da, endlich kam sie. Er begrüßte sie herzlich, und sie gingen eng umschlungen zum Masttor hinaus und bogen in den Deneweg. Es war ein wunderhübscher Vollmondabend. Die Mondscheibe glänzte über der Hahnenklippe und schaute auf den Deneweg. Louise hängte sich behaglich an Christians Arm. Dann erzählte sie ihm die Neuigkeit, dass Napoleon von Elba frei sei.

Da stand der große Christian mit einem Ruck kerzengerade vor seinem Mädchen, das nicht viel kleiner war als er selbst. „Da muss ich sofort zum Heere des Herzogs!“ Vergessen waren alle Heiratspläne, vergessen auch, dass er dieses stolze Mädchen sich an diesem Abend erobern wollte. „Ich gehe noch heute Abend über den Hils“, sagte er. Und dann, als er ging, umfing er sie gierig. „Wenn ich wiederkomme, heiraten wir!“ Da erwachte sie aus ihrem Sinnen. „Du kommst bestimmt wieder“, sagte sie, „siehe nur dort die weiße Frau“. Christian sah sie dann auch. Ja, sie war es. Die brachte Glück. Sie gingen gemeinsam zum Siebenbachhof zurück. Christians Eltern waren von seinem Entschluss, sofort zu gehen, nicht überrascht. Mutter Ritterbusch versah Christian mit Wegzehrung, sein Vater übergab ihm einen Beutel mit fünfzig Talern. „Für die Ausrüstung“, sagte er trocken. „Und komm wieder, sobald es möglich ist!“ „Ja“, sagte Christian, „ich komme wieder.“ Er umarmte Vater und Mutter. Dann sagte er zu seinen Eltern: „Louise ist meine Braut, die heirate ich, wenn ich wiederkomme, und jetzt geht sie noch ein Stückchen mit mir!“ Die Eltern gaben Louise die Hand und segneten das junge Paar. Eine Stunde später gingen sie den Hils hinauf. (Eine Straße ging noch nicht über den Hils, die wurde erst 25 Jahre später gebaut.)

Gemälde „Der Schwarzer Braunschweiger“
Das berühmte Gemälde „Der schwarze Braunschweiger“ von John Everett Millais (1829–1896) stellt das dasselbe Thema wie unsere Erzählung dar, allerdings in einem großbürgerlichen Kontext.

Als sie den Hochwald am Waltersberg erreichten, konnte der große Christian nicht widerstehen. Er nahm das große Mädchen sich zu eigen. Sie überließ sich ihm willig. Dann sagte er zu ihr, dass sie vom Woltersberg über den Erikengrund rund gehen sollte, dann über die Hilsstraße gehen, dass sie den Alfelder Weg erreiche, dann könne sie um 11.50 Uhr vor Wickensen sein. „Ich muss mich jetzt beeilen, dass ich bei Tagesgrauen durch die Häberbörde gehe.“ Als der Tag graute, ging er durch Bodenburg. Jetzt kamen von allen Seiten junge Leute, die sich zu Christian gesellten. Alle wollten zum Regiment des Schwarzen Herzogs nach Braunschweig.

Harte Tage erlebte er in Belgien. Am ersten Tage, als sie mit Napoleon zusammentrafen, war Christian sehr erschöpft. Im Traum war er auf dem Siebenbachshof und sah seine Louise Rische vor sich stehen. Sein Dorf lag vor ihm, und er ging mit Louise im Deneweg spazieren. Und wahrhaftig, da kam auch die weiße Hedwig auf ihn zu, neigte sich zu ihm hinab und sagte: „Morgen ist noch ein schwerer Tag, aber dir geschieht nichts. Du wirst Vater und Mutter wiedersehen. Auch Hils und Ith werden dich wieder erfreuen.“ Die weiße Frau behielt recht. Zeitlebens musste Christian an diesen Traum denken.

Christian traf wieder in seinem Heimatdorfe ein. Wieder schien der Mond, als er über den Hils ging. Als er vom Woltersberg seinem Dorfe zuging, führte sein Weg der Wanne zu. Am schwarzen Kreuz würde er auf Louise warten. Die Kunde, dass alles gut gegangen sei, würde schon in Holzen sein. Und richtig, am schwarzen Kreuz stand jemand. Und da lief ihm seine Louise schon entgegen. Er schloss sie in seine Arme und küsste sie voll Erregung. Dann sagte er schlicht „Komm!“ und sie gingen zum Siebenbachhof, dem sie dann 1847 die Nr. 18 hinzukauften.

Der Mann mit glühendem Kopf.

Im 17. Jahrhundert führte die Gemeinde Scharfoldendorf gegen die Gemeinde Holzen Klage um die Holzgerechtsame am Ith. Der Streit wurde wider Erwarten zugunsten Scharfoldendorfs entschieden.

In diesem Streit soll nun ein Bauer aus Scharfoldendorf falsch geschworen haben. Er fand dafür im Grabe keine Ruhe. Nachts umwandert er den strittigen Forstort „Hübners Kopf“, der nach ihm seinen Namen hat. Auch der Weg wurde nach ihm benannt. Er wandert dann nachts Hübners Weg hinauf, geht dann nach Südosten über die Ithwiesen und wandert Schreibers Grund wieder hinunter. An Pollmanns Stein, wo das Gericht getagt haben soll, bleibt er stehen. Kommt nun jemand von Holzen herauf, so verschwindet er eiligst in der Richtung nach Scharfoldendorf. Sein Kopf ist dann glühend, so dass das Wild unter lauten Geräuschen flieht.

Gar manchen ist er auf seiner Wanderung begegnet. Viele wollen ihn auch ohne Kopf gesehen haben.

Der Mühlenbrunnen an der Poppenburg.

Genälde der Göttin Freya
Freya in einem Gemälde von James Penrose (1862–1932).

Die Quelle, die in Zukunft fast alle Dörfer der Ithbörde mit Wasser versorgen soll und in letzter Zeit oft von Fremden besucht wird, liegt direkt am östlichen Dorfende und an einem Vorberge des Hilses, den Forstort Poppenburg. An dessen südwestlichem Rande bricht sie unter den Dolomitfelsen hervor.

Selbst in ganz trockenen Zeiten behält sie eine Stärke von 45 Sekundenlitern. Ihr unterirdischer Weg führt über Duck- und Asphaltgestein. Auch Eisenerze und Schwefelkies werden von ihr bespült. Als in den achtziger Jahren des vorigen Jahrhunderts der Göttinger Geologe von Köhnen unsere Gegend besuchte, fragte er einen alten Mann, wie er sich die Entstehung der Quelle denke. „Herr Professor, das glauben Sie ja doch nicht, wenn ich das erzähle. Aber lachen Sie darüber, soviel Sie wollen, in glaube es, weil mein Urgroßvater und alle nicht überklugen Leute es glauben“, sagte dieser.

Foto von Professor Adolf von Koenen
Adolf von Koenen (1837–1915), Professor in Göttingen für Geologie und Paläontologie.

„Es ist schon lange her. Unser Gott, den sie damals Bode oder Wotan nannten, lebte noch auf Erden. Auch seine Frau, die Gottesmutter Freya, war noch bei ihm. Diese wohnte hier im Ith. An einen schönen, heißen Sommerstage hatte Bode seine Frau hier oben auf die Felsen der Poppenburg bestellt. (Dieses Tal war damals noch nicht, der Ith war mit den Hilsbergen fest verbunden.) Bode wollte ein Sommerfest feiern. Freya kam auf einem Eber über die Ithwiesen geritten, und ihre Engel, die schönen Disen, folgten ihr. Als sie hier oben auf dem Felsen ankamen, hatten sie alle großen Durst. Bald darauf kam nun Bode auf einem schönen Schimmel an. Er freute sich, dass seine Familie schon vollzählig war. Denn auch Donar, seinen Sohn, hatten sie mitgebracht. Es begann ein frohes Fest. Nur klagten allen über großen Durst. Da hob Bode seinen Stab und schlug dreimal auf die Felsen. Ein Donnern und Krachen folgte. Die Felsen sanken in die Tiefe. Ein mächtiger Wasserstrahl schoss aus der Erde bis oben auf den Poppenburgfelsen. Das Wasser war klar wie Silber und von köstlichem Geschmack – ein Bassin auf dem Felsen lief voll, so dass sie den ganzen Tag genug hatten. Auch ein Badebecken lief voll, und alle badeten in dem Wasser. Dann sank der Strahl zurück und sprudelte unten weiter. Sein Wasser bildete die rote Beeke. Heute heißt sie Auebach und fließt mit der Lenne zur Weser. Bode sprach zu den Menschen: ‚Zum Andenken an dieses schöne Fest soll diese Quelle nie versiegen. Und wenn alle Quellen am Hilse vertrocknen, soll diese aller Kreatur Wasser spenden.‘

So ist es geblieben all die Jahrtausende bis auf den heutigen Tag. Und weil Freya von diesem Wasser trank, war es üblich, dass in der Osternacht die jungen Mädchen ihren Liebsten an den Mühlenbrunnen führten. Hatte er dann an dem Quell getrunken, so musste er ihr treu bleiben bis an den Tod. Aber auch wir Alten sind der Quelle treu geblieben; wir gehören zu ihr und sie zu uns.“

Aufmerksam hatte Professor von Köhnen zugehört. Er reichte dem Alten die Hand und sagte: „Wiegmann, das haben Sie schön erzählt. Sie sind im Irrtum, wenn Sie glauben, ich lachte darüber. Nein, es ist möglich, dass der Kern der Sage das richtige trifft. Wenn ich wiederkomme, besuche ich Sie wie immer am Haltersberge, und dann sollen Sie meine Meinung hören.“ Er nahm seinen Becher und trank zum Abschied nochmal aus der Quelle mit dem Wunsche: „Möge sie euch Holzer erhalten bleiben, so wie Bode das bestimmt hat.“

Die weiße Frau auf dem Kelchstein bei der Rothensteinhöhle – Holzen.

Um die Zeit, als Karl der Franke den Sachsen das Christentum mit Gewalt brachte, stand über dem Rothenstein eine alte Burg. Sie stand nicht unmittelbar über der Höhle, sondern weiter nach Norden zu, und war mit einer Landwehr umgeben. Verschlungene Wege führten durch diesen Heckenwall. Auf den Ithwiesen weideten große Viehherden, die den Reichtum des Burgbesitzers kündeten.

Man nannte ihn seines roten Haares wegen den roten Grafen oder auch kurzweg den roten Lieps. Seine Sippe bewohnte das südliche, vor dem Rothenstein liegende Gelände, seinen Wirtschaftshof. Es lag gerade am heutigen Auebach, der früheren Roten Beeke. Längst ist dieses Cheruskerdorf nicht mehr, aber der Plan, wo es stand, heißt heute noch „Im Rothe“ und umfasst in der Flurkarte die Pläne 123 bis 126 westlich von Holzen.

Als Herzog Widukind rief, zogen die älteren Söhne Holte und Lippard mit ihm gegen die Franken, um die 4 500 Sachsen zu rächen, die bei Verden ihr Leben fürs Vaterland lassen mussten. Der jüngste, Thilo, ging mit seiner Schwester Hadwig dem alternden Grafen zur Hand. Hadwig, die des Vaters bekümmertes Gesicht sah, ahnte, was in ihm vorging. Mit doppeltem Eifer übte sie sich im Gebrauch der Waffen. Eine tüchtige Jägerin war sie ohnehin. Die unruhigen Zeiten hatten sie gezwungen, der Männer Arbeiten mit zu übernehmen. Ja, sie fühlte, dass eine Einigung der deutschen Stämme mehr denn je zuvor Not tat. Deshalb traf sie ihre Vorkehrungen. Hatte bisher zwischen dem Vater und dem Besitzer der Hohenwiek ein gespanntes Verhältnis bestanden, so gelang es ihr, mit diesem Mann Verabredungen über gegenseitige Hilfe zu treffen. Denn auch dessen Sippe hatte bei Verden geblutet.

Als von den beiden Brüdern lange Zeit keine Nachricht kam, wurde der alte Lieps immer unruhiger. Dazu drückte ihn die Last der Arbeit. Alle verfügbaren Männer waren mit den beiden Söhnen gezogen. Er musste in seines Sohnes Holte Haus nach dem Rechten sehen, dazu auch seinen eigenen Wirtschaftshof „Rothe“ besorgen. Seine heiligen Pferde, die er um Bodes Gunst und Rat befragte, hatten ihm kein günstiges Zeichen gegeben. In der Nacht hatten ihn die Idisen Friggas umschwebt. Merkwürdigerweise war unter diesen auch seine Tochter Hadwig. Angetan mit einem weißen Leinenmantel, die Schultern bedeckt mit dem langen Blondhaar, in der Hand das kurze Schwert, so stand die sehnige, schlanke Gestalt vor ihm. Schweißgebadet erwachte er. Hatte Frigga ihm im Traum den Weg, den er gehen musste, gezeigt?

Voll neuer Hoffnung erzählte er Hadwig seinen Traum. Diese stärkte des Vaters neue Hoffnung. „Vater, wenn die Franken kommen, werden wir sie im Schutz unserer Berge vernichten und Frigga wird uns beistehen.“ Er ging in den heiligen Hain und opferte Bode sein bestes Pferd. Neuer Mut beseelte ihn, obwohl er fühlte, dass es um des Herzogs Lage nicht gut stand, denn Hils und Ith tobten und kündeten Sturm. Er schickte nun seinen Sohn Thilo zu seinem Schwager Poppo, der auf der Poppenburg saß und die Schlucht zwischen Ith und Hils bewachte. Er bat ihn, sein und seines Sohnes Haus in nächster Zeit zu bewachen, denn er wolle mit seiner ganzen Sippe dem Herzog zu Hilfe eilen. Wenn der Vollmond in der übernächsten Nacht über der Hahnenklippe stände, wollten sie aufbrechen. Doch es kam anders. Wohl kam seiner und befreundeter Sippen letzter Mann zu ihm herauf. Aber ehe der Tag zu Ende ging, erreichten ihn die ersten Versprengten, von denen er erfuhr, dass des Herzogs Heer vernichtet sei.

Da sprach er fest und trotzig: „Dann führen wir ein neues Heer zu ihm.“ Nun schickte er Hadwig mit einem Teil der Mannschaft, dass sie alles Vieh von den Ithwiesen, aus „Rothe“ und Holteshufe in den Sparensiek brächten. (Denn in den Sparensiek führten zu jener Zeit noch keine Wege. Nur Kundige fanden hinein. All die Jahrhunderte ist es so geblieben, dass der Sparensiek als Schutzwall diente. So auch im Siebenjährigen Kriege, und noch in der westfälischen Zeit wurde der Sparensiek als Versteck benutzt.). Alle sonstigen Sachen ließ er in die Rothesteinhöhle bringen. Die Frauen und Kinder wurden hier versteckt. Auch die Burg wurde geräumt. Oben auf der Burg ließ die listige Hadwig ein Kreuz anbringen.

Nochmal war der alternde Graf zu Bodes Altar gegangen, um ihn und Frigga um Schutz anzuflehen, aber wie erschrak er, als er dort einen Mann in der Feinde Rüstung vorfand. Er schlich näher, jetzt erhob er den Speer zum Wurf, da sah er des Fremden Gesicht. War das nicht sein totgeglaubter Sohn Holte? Ja, er war es! Denn schon eilte er auf den Vater zu. Und nun erfuhr der rote Lieps, dass des Herzogs Sache verloren war, wohl sei er entkommen, aber Hilfe könne ihm niemand bringen. Er habe sich mit seinem Bruder durch die Franken gekämpft. Zuletzt sei er beim Sturz seines Pferdes unter dieses gekommen. Als er erwachte, sei alles still um ihn gewesen. Da habe er einem toten Franken seine Rüstung abgenommen und sei damit entkommen. Von seinem Bruder wisse er nichts. Die Franken drängten unaufhaltsam vorwärts und würden auch bald hier sein. Da reichte der rote Graf dem wundkranken Sohn das Trinkhorn, damit Mut und Kraft zurückkehre.

Als sie zum Rothenstein hinaufkamen, fanden sie neue Flüchtlinge bei der bereitstehenden Mannschaft. Diese berichteten, dass viele Sachsen Bode abschwörten und zu den Franken gingen. Nun schickte er Hadwig mit Thilo zur Erkundung aus. Im Tal der kleinen Saale trafen sie auf eine Streife, die einen Sachsen mit sich führte. Geschickt wichen sie aus, holten Hilfe und auf Thilenhohl konnten sie die Streife abtun. Aber Hadwig blieb in der Nacht neben dem toten Bruder sitzen. In der Hand hielt sie ein erbeutetes Kreuz. So fand sie der rote Lieps.

Am anderen Tag hingen schwere Gewitterwolken über dem Ith. Die Wachen kündeten durch den nachgeahmten Schrei des Uhus den Anmarsch der Franken. Hadwig aber hatte vorgesorgt: Die Franken kamen unbehelligt bis zu der Ringburg. Wie groß war ihr Erstaunen, als sie das Kreuz auf der Burg sahen. Noch mehr staunten sie, als sie diese leer fanden. Also hielten sie erst einen Kriegsrat ab. Dann brachen sie in keilförmiger Ordnung in Hübners Weg ein, um so zu des roten Lieps Wirtschaftshof zu gelangen, weil sie auf reiche Beute hofften. Aber jetzt wurde es hinter den Felsen und Bäumen lebendig, denn der rote Lieps fiel über sie her. Ein heißes Ringen begann. Es schien, als sei alles verloren. Da begann ein Donnern und Krachen, als ob die Welt unterginge. Die Franken fühlten sich auch von hinten angegriffen. Mitten im Getöse des Gewittersturmes kam nämlich Hadwig gesprengt. Sie führte sechzig Mann Hilfe des Grafen von der Hohenwiek herbei.

Der Kelchstein am Ith
Der Kelchstein am Ith zu Ostern 1967. Quelle: Familienarchiv Kaese.

Bekleidet mit einem selbst gewebten Leinenmantel – das lange Goldhaar bedeckte ihre Schultern – so gelangte sie auf dem Pferde stehend bis zum Kelchstein. Ein kühner Sprung, und wie eine Katze hatte sie den Kelchstein erklettert. Hier stand sie wie eine Säule und erteilte ihre Befehle. Riesengroß sah sie bei jedem aufzuckenden Blitz aus. Das Ringen kam zum Stehen, denn die Franken glaubten, die Gottheit sei selbst gekommen, und flohen den steilen Berg hinan. Aber zu spät. Hadwig hatte ihnen den Weg verlegt. Von drei Seiten brachen sie über die Fliehenden her und der letzte wurde eingeholt und abgetan. Hadwig hielt ihre Krieger fest in der Hand. So schnell der Kelchstein bestiegen war, so schnell hatte sie ihn wieder verlassen. Damit keiner entkam, zeigte sie, dass sie das Schwert zu führen verstand. Als alle Gefangenen und Verwundeten den Gnadenstoß unten im Tale bei Sonnenuntergang erhielten, war die rote Beeke rot vom Blut der Franken.

Keiner brachte den Franken Kunde, wo dieser Heerhaufen geblieben war. Noch weniger erfuhren sie, dass ein Weib die Franken vernichtet hatte. Als der verwundete alte Graf aus seiner Bewusstlosigkeit erwachte, kniete Hadwig neben ihm und verband ihn mit sachkundiger Hand. Aber seine schweren Wunden brachten ihm nach drei Tagen den Tod. Am Tage zuvor war sein Sohn Lippard noch heimgekehrt. Er übernahm des Vaters Besitz, und es schien, als ob nun Friede sein sollte. Aber nach einigen Monaten kamen die Franken wieder. Sie trieben die Bewohner des Lennetals zusammen und zerstörten die Burg auf dem Rothenstein und die Burg Hohenwiek. Die Bewohner des Lennetals wurden gen Südwesten geführt und fern der Heimat wieder sesshaft gemacht.

Aber Hadwig war diesem Schicksal entronnen. Auch ihre beiden Brüder kehrten bald zurück. Holte blieb in der Heimat, doch Lippard entschloss sich, in des Franken Dienst zu treten. Hadwig wurde später die Gemahlin eines Edlen aus ihrem Stamme. Aber sie jagte den Hirsch im Hils und Ith bis an ihr eigenes Ende. Auch blieb sie Bode und Frigga treu. Und als sie in Walhall eingezogen war, kehrte sie oft zu den Bergen der Heimat zurück.

So mancher sah sie auf dem Kelchstein stehen, und noch in den fünfziger Jahren des vorigen Jahrhunderts passierte es einem jungen Förster, der hinter Wilddieben her war, dass er sie, angetan mit dem weißen Leinenmantel, auf dem Kelchstein stehen sah. Auch ihr treues Ross stand neben ihr. Doch als er sich von seinem Schreck erholt hatte und hinging, fand er nur einen Wacholderstrauch, in den sie sich verwandelt hatte. Während des Siebenjährigen Krieges, als die Franzosen die Wesergegend bedrohten, sahen die Bewohner von Holzen sie acht Tage lang auf dem Nasenstein stehen. Aber als dann die Truppen des guten Herzogs Ferdinand Wickensen besetzten, war sie verschwunden.

Als das folgende Jahr eine neue Bedrohung brachte, sah der Bauer Wilhelm Deppen sie bei der Teufelsküche stehen. Sie zog mit ihrem Pferde vor ihm her in den Sparensiek und war dann verschwunden. Am anderen Tage brachten die Bauern das ganze Vieh zum Sparensiek. Wenige Tage später besetzten schottische Truppen Holzen. Wohl kamen sie als Freunde, aber sie wunderten sich, dass das Dorf wie ausgestorben war.

Zum letzten Male wurde sie am 31. Juli 1914 während eines Gewitters auf dem Kelchstein gesehen. Ganz verstört kam der alte Mann bei mir vor und sagte: „Ich habe eben Hadwig, die weiße Frau auf dem Kelchstein gesehen, auch schon 1870 habe ich sie gesehen. Jetzt gibt es wieder Krieg!“

Eine germanische Opferstätte am Ith – eine Jugenderinnerung.

Es war an einem Frühlingstage des Jahres 1884. Der Ith prangte im Maiengrün, und wir Jungs kletterten zwischen den Klippen herum, um unseren Übermut auszutoben. Der größte unter uns erzählte uns gruselige Geschichten von der Teufelsküche. Zuletzt forderte er uns auf, einzeln in und unter die Teufelsküche zu kriechen. Wir brachten der Reihe nach diesen Mut auf, bis auf einige, die sich nicht getrauten, weil doch der Glaube anging, dass jedem ein Unglück träfe, der den Felsen erklettere.

Aber wer beschreibt unser Entsetzen, als unser Primus aus dem Felsen einen Totenschädel und einen Beinknochen heraushielt. Er hatte diese Trophäen aus einem Spalt herausgezerrt. Nun wurde die Höhlung unter dem Felsen durchbuddelt, und weitere vier Schädel wurden gefunden. Auch ein Stück vom Schädel eines Pferdes kam zum Vorschein. Zwei Schädel zeigten noch schöne Zähne und grinsten uns schaurig an. Diese wurden behutsam beiseitegestellt. Mit den andern begann ein tolles Spiel. Sie wurden den Abhang hinuntergerollt. Aber dabei wurden wir durch einen Einwohner aus Holzen gestört. Dieser, der Bäckermeister August Schünemann, ließ sich die Fundstelle zeigen und erklärte uns, dass die Schädel wahrscheinlich von ehemaligen Menschenopfern herrührten, die unsere Vorfahren ihren Göttern gebracht hätten.

Er packte die Schädel und Knochen in seinen Korb und nahm sie mit. Später erfuhr ich, dass er sie auf dem Friedhof in einer Ecke begraben hätte. Erst später, als der alte Herr Schünemann schon unter dem Rasen ruhte, wurde mir klar, dass der Altertumsforschung wertvolles Gut verloren gegangen war, denn drei Schädel hatten eine andere Form. Der Unterkiefer trat stärker hervor.

Später, etwa um 1908, ist dann die Teufelsküche von der Firma Küsthardt in Hildesheim zu Denkmälern verarbeitet worden. Hätte sich nur eine Stimme dagegen erhoben, herrje, hätte man dieses Naturdenkmal und diese Kultstätte sicher stehen lassen.

Unter dem Felsen wurde noch ein leerer Tontopf gefunden. Der Topf, der zwei Henkel gehabt hat, war mit einer roten Sandsteinplatte zugedeckt, also schon früher seines Inhaltes beraubt. Er soll dem Forstamt Scharfoldendorf übergeben sein. Die Teufelsküche war ein Dolomitfelsen von etwa 8 Meter Länge, 5 Meter Breite und 5 Meter Höhe. In der Mitte befand sich eine Höhlung von etwa 1 Meter Höhe, 2 Meter Länge und 0,80 Meter Breite. Diese alte Opferstätte befand sich vorn im Ith etwa achtzig Meter vom Pfannenweg aufwärts. Obwohl als Teufelsküche verschrien, den man dort um die Geisterstunde antreffen konnte, und nicht selten besonders von Wilddieben in den wunderlichsten Gestalten noch in der letzten Hälfte des vorigen Jahrhunderts gesehen war, hatte sich der Glaube an seine Heiligkeit erhalten.

Viele Kranke suchten die Hilfe, wenn alle Mittel sonst versagten. Zu Sommer 1898 traf ich vor Sonnenaufgang einen alten Mann, der in jungen Jahren von hier verzogen war. Als er sich krank fühlte, zog’s ihn noch einmal nach der Heimat. Er erinnerte sich der Wunderkraft der Teufelsküche. Morgens um 3 Uhr stand er an der heiligen Stätte und legte seine Opfergabe nieder: Eine Flasche Moselwein, zwei belegte Brote, ein buntes und ein weißes Kopftuch. Dann nahm er sein Messer, kratzte etwas vom Felsen in ein Glas mit Wasser und trank. Dabei richtete er den Blick gen Osten und sagte dreimal laut: „Frigga, hilf! Im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes! Amen.“

Also an die heidnischen und christlichen Götter wandte sich der Hilfesuchende. Dann ging er durch die Wälder, die Traumstätten seiner Jugend, und aß den ganzen Tag nichts. Abends verspürte er seit langer Zeit wieder Hunger. Auch seine Kopfschmerzen waren fort. Voller Freude erzählte er mir das Wunder seiner Heilung und band mir auch sein Geheimnis auf die Seele. Ich verschwieg ihm allerdings, dass ich Zeuge seiner heiligen Handlung gewesen war. Auch, dass seine Flasche Wein am selben Tage mir noch köstlich gemundet hatte, sagte ich ihm nicht.

Die Tentrus-Eiche erzählt.

Ob diese Erzählung eine Fabel, ein Märchen oder eine wahre Geschichte ist, lässt sich heute nicht mehr feststellen. Jedenfalls ist in den Gellertschen Fabeln, den Grimmschen Märchen und in alten Urkunden nichts darüber nachzulesen.

Foto der Tentrus-Eiche zwischen Eschershausen und Stadtoldendorf
In den 1760er Jahren erfror der dreißigjährige L. Tentrus auf dem Weg von Eschershausen nach Stadtoldendorf unter dieser Eiche, die seitdem, auch urkundlich bezeugt, Tentrus-Eiche genannt wurde. 1950 starb die damals wohl vierhundert Jahre alte Eiche ab. Der Stamm stand noch bis 2007, als er bei Waldarbeiten umgestoßen wurde. Hier ein Foto mit einer Wandergruppe aus dem Jahr 1953. Veranlasst durch Adolf Lucé senior wurde 1954 eine neue Eiche gepflanzt. (Fotoarchiv Martin Lucé.)

Vor vielen hundert Jahren veranstaltete der Edelherr Heinrich von Homburg eine große Jagd in den Homburger Bergen, wozu seine Brüder Gewehard und Borchard, Edle zu Homburg, und die Adligen der Herrschaft Homburg eingeladen waren. Edle Frauen waren nicht geladen, auch auf die Falkenbeize wurde verzichtet, weil nur Hirsche und Keiler gejagt werden sollten. Die Jagd zog sich von der Homburg über den kleinen Homburg, den Wolfsberg, dann durch die alte Hölle und über den Kohlenberg bis zur großen Eiche am schwarzen Pfuhl hin. Die Knappen mit den Hunden hatten viele Hirsche und Keiler in die Nähe der hohen Jäger getrieben und bald fiel ein Hirsch nach dem anderen durch die Speere der Jäger und mancher Keiler wurde durch die Saufeder zur Strecke gebracht.

Am Nachmittag wurde unter der großen Eiche mit dem Blick auf die Homburg und die Burg der Grafen von Everstein, die nicht zu der Jagd geladen waren, bei Bier und Vesper der Erfolg der Jagd gefeiert. Als der Abend nahte und die Jagdgäste Abschied nahmen, waren die Bauern aus Eschershausen, die dem Hause Homburg auf der Jagd schuldig waren, das Wild abzufahren, nicht erschienen. Edelherr Heinrich von Homburg beauftragte den Burgknappen Franko, die Nachtwache über die große Strecke zu übernehmen, bis sie von den Bauern abgefahren sei. Nun blieb Franko allein bei dem erlegten Wild unter der Eiche.

Am anderen Morgen wurde er von den Bauern aus Eschershausen geweckt, die das Wild abfahren wollten. Aber kein Hirsch und kein Keiler war bei der Eiche aufzufinden. Die Bauern fuhren wieder zurück und mussten auf ihren Lohn verzichten.

Als die Kunde von dem Verlust des Wildes auf der Homburg bekannt wurde, ward der Knappe Franko in das Burgverlies geworfen. Bei seiner ersten Vernehmung gab er an, dass er nach dem reichlichen Biergenuss fest eingeschlafen sei und einen merkwürdigen Traum gehabt habe. Danach seien in der Nacht die nicht erjagten Hirsche und Sauen des Waldes zur großen Eiche gekommen. Die Hirsche hatten ihre toten Brüder auf ihre Geweihe genommen und fortgetragen und die Sauen hätten die Keiler in die Läufer gebissen und fortgeschleppt. Dieses wäre alles, was er zu dem Abhandenkommen der großen Jagdstrecke sagen könne.

Heinrich von Homburg glaubte die Aussage des Franko aber nicht, vermutete vielmehr, dass Franko die Jagdstrecke den feindlich gesinnten Grafen von Everstein übergeben habe, mit deren Burgmannen er befreundet war.

In der Nacht nach der großen Jagd hatte der Torwächter der Homburg bei dem Tor zur Burg verdächtige Geräusche gehört, die aber verstummten, als er ein Fenster öffnete, um die Ursache des Geräusches festzustellen.

Um die Wahrheit zu ermitteln, wurde gegen Franko ein hochnotpeinliches Gerichtsverfahren eingeleitet. Bei den ersten Vernehmungen blieb Franko bei der Beteuerung seiner Unschuld und wiederholte seinen Traum. Als ihm aber dann die Daumenschrauben angelegt wurden, gab er auf Befragen des Richters zu, dass er die Burgmannen des Grafen von Everstein benachrichtigt und mit ihnen einen nächtlichen Überfall auf die Homburg geplant habe.

Er wollte heimlich das Burgtor öffnen und dann durch die Burgmannen des Grafen von Everstein den Edelherrn von Homburg gefangen nehmen lassen. Durch die Aufmerksamkeit des Torwächters sei der Überfall aber vereitelt worden. Was die Eversteiner mit der Jagdstrecke gemacht hatten, könnte er nicht angeben. Durch diesen eingestandenen Verrat an seinem Herrn, hatte Franko sein Leben verwirkt. Zur Vollziehung der Todesstrafe nach den Richtlinien des hochnotpeinlichen Halsgerichts ließ der Richter bei der großen Eiche am schwarzen Pfuhl den Gerichtsplatz einrichten und in den gehörigen Stand setzen. Der Richtertisch, Stühle und Bänke wurden aufgestellt, sieben Schöffen wurden geladen. Durch die Fronboten waren die Einwohner der Orte Kathagen, Odenrode, Cogrowe, Buttestorpe, Oelkassen, Lüerdissen, Scharfoldendorf, Holzen, Odenberge und Eschershausen mit Hörnerschall öffentlich zu dem Halsgericht geladen worden. Nachdem das Gericht durch eine starke Wache gesichert war, nahm der Richter ein Schwert in die Hände und fragte die sieben Schöffen, ob das peinliche Gericht zur peinlichen Handlung wohl besetzt sei. Nach der Bejahung dieser Frage erfolgte die feierliche Eröffnung des hochnotpeinlichen Halsgerichts.

Der vom Edelherrn von Homburg bestellte Ankläger, der auch Blutschreier genannt wurde, trat vor das Gericht und bat um die Erlaubnis, klagen zu dürfen, und um die Vorführung des Angeklagten. Der Knappe Franko wurde daraufhin gefesselt vorgeführt und von dem Ankläger und dem Scharfrichter mit Zetergeschrei empfangen. Dann wurde Franko von seinen Fesseln befreit und über seine Missetat befragt. Er verblieb bei seinem Bekenntnis, mit den Eversteinern einen Überfall auf die Homburg geplant zu haben.

Der Gerichtsschreiber las öffentlich das Todesurteil vor und übergab Franko zur Vollstreckung der Todesstrafe durch den Strang dem Scharfrichter auf Eid und Pflicht. Der Richter brach den Stab, Richtertisch, Stühle und Bänke wurden umgeworfen.

Foto des schwarzen Pfuhls mit der Tentrus-Eiche
Bild des Schwarzen Pfuhls mit der Tentrus-Eiche aus dem Jahr 1952. (Fotoarchiv Martin Lucé.)

Der Scharfrichter befestigte mit seinen Knechten einen Strick an einem dicken Ast der großen Eiche. Die Knechte hoben Franko auf die Stufen einer Leiter und der Scharfrichter legte ihm die Schlinge des Stricks um den Hals. Auf der Leiter öffnete Franko noch seinen Mund, eben in diesem Augenblick wurde die Leiter umgestoßen und das Todesurteil war vollstreckt. Hierauf hielt der Richter eine Warnrede an die umstehenden Einwohner der Ortschaften, sich jeder Straftat zu enthalten. Der Scharfrichter fragte den Richter, ob er das Urteil nach seinem Willen und pflichtgemäß vollstreckt habe. Es wurde ihm eine zustimmende Antwort erteilt.

Um die Leiche Frankos nicht längere Zeit an der Eiche hängenzulassen, befahl Edelherr Heinrich von Homburg, den Leichnam in den schwarzen Pfuhl zu werfen. Nach einigen Jahren trat bei langer Trockenheit eine große Dürre ein und der schwarze Pfuhl bei der großen Eiche trocknete fast aus. Auf seinem Grunde wurden viele Gerippe von Hirschen und Wildschweinen gesehen und darauf lag das Skelett vom Knappen Franko.

Die große, alte Eiche, die später Tentruseiche genannt wurde, ist als letzter Zeuge dieser schrecklichen Begebenheit vor einigen Jahren abgestorben und wird auch bald im schwarzen Pfuhl vermodern.

Veröffentlicht im Täglichen Anzeiger Holzminden am 13. Juni 1959.





Notizen zur Digitalisierung des Originals

Alle Geschichten stammen aus dem Nachlass von Adolf Lucé senior (1889–1959), digitalisiert von Martin Lucé (Auszug aus dem Gesamtarchiv, Stand 5. Februar 2023). Bearbeitung, Bebilderung und Veröffentlichung durch Christian Kaese. Die Bearbeitung beschränkte sich auf Rechtschreibung und Grammatik.

Christian Kaese
Eschershausen 2023